Ausdauersport verbessert die Gesundheit durch epigenetische Veränderungen

Wissenschaftler beschreiben erstmalig, wie körperliche Betätigung die Aktivität von Genen beeinflussen kann, die bekanntermaßen mit dem Risiko für Erkrankungen in Zusammenhang stehen.

Wissenschaftler beschreiben erstmalig, wie körperliche Betätigung die Aktivität von Genen beeinflussen kann, die bekanntermaßen mit dem Risiko für Erkrankungen in Zusammenhang stehen.

Dass Bewegung das Risiko für so gut wie jede Erkrankung reduziert, mag ein alter Hut sein, aber wir beginnen gerade erst, die zugrundeliegenden Mechanismen im Detail zu verstehen. Die positiven Effekte von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit sind zum Teil auf Anpassungsreaktionen des Skelettmuskelgewebes zurückzuführen, die sich auf den gesamten Organismus auswirken. Bekannt war bereits, dass Training abgestimmte Veränderungen in der Expression von Genen auslöst, die den Substratverbrauch und die metabolische Effizienz im Skelettmuskel kontrollieren1. Zusätzlich zu den Adaptationen, die innerhalb der Skelettmuskelzellen stattfinden, hat Sport jedoch systemische Auswirkungen, indem er die Freisetzung von Faktoren aus dem Muskel auslöst, die Signale an entfernte Gewebe, wie Gehirn, Leber und Fettgewebe senden.

Aktivität von Genen, die zu Gesundheit oder Krankheit beitragen, ist kontextabhängig

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden in genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) Tausende von genetischen Varianten identifiziert, die mit biologischen Merkmalen und Krankheiten in Verbindung stehen. Die überwiegende Mehrheit dieser Varianten befindet sich in nicht kodierenden DNA-Abschnitten, die sich mit regulatorischen Regionen, insbesondere Enhancern, überschneiden. Enhancer ("Transkriptionsverstärker") sind distale regulatorische Elemente, die von verschiedenen Transkriptionsfaktoren gebunden werden und die Expression vieler Gene steigern, indem sie mit Promotor-Sequenzen interagieren.

Studien der letzten Jahre konnten bereits über 1,5 Mio. Enhancer in Hunderten von menschlichen Zelllinien identifizieren und zeigen, dass die Aktivität von Enhancern hochdynamisch und vom Zelltyp und physiologischen Kontext abhängig ist.
Wissenschaftler der Universität Kopenhagen stellten die Hypothese auf, dass Ausdauertraining die Aktivität solcher Enhancer in der Skelettmuskulatur verändert und dass diese wiederum die Expression von Genen regulieren, die zu den positiven Auswirkungen von Sport auf die Gesundheit beitragen.2,3 

Sechs Wochen Ausdauertraining führten zu epigenetischen Veränderungen in Bereichen des Genoms, die das Risiko für Krankheiten beeinflussen

Bei einer kleinen Gruppe von körperlich normalerweise inaktiven jungen Männern entnahmen sie vor und nach sechswöchigem Ausdauertraining Muskelbiopsien vom Oberschenkel und untersuchten diese unter anderem auf Histonmodifikationen. Histone beeinflussen die Struktur und damit die Ablesbarkeit von DNA-Abschnitten: Windungen können gelockert werden, um sicherzustellen, dass die Gene häufiger abgelesen werden oder sich zusammenziehen, um die Genexpression zu verhindern. Die Wissenschaftler konnten ein solches Remodeling nach Sport in Bereichen tausender Enhancer beobachten. Nahm die Aktivität dieser Enhancer zu, führte dies zu einer höheren Expression von Genen, die für "Muskelfaktoren" kodierten, also Proteine bilden, die ins Blut ausgeschüttet werden und sich auf den gesamten Körper auswirken.4

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Bewegung über diesen Mechanismus auch Organen zugutekommt, die von den Muskeln weit entfernt sind. Sie vermuten, dass die positiven Auswirkungen auf Signale zurückzuführen sein könnten, die von den Muskeln in den Blutkreislauf abgegeben werden.
Indem sie die Enhancer mit genetischen Datenbanken abglichen, entdeckten sie, dass viele der regulierten Enhancer bereits als Hotspots genetischer Variationen zwischen Individuen identifiziert sind – Hotspots, die mit Krankheiten beim Menschen in Verbindung gebracht wurden. Ihre Beobachtungen deuten auf die Rolle dieses Stoffwechselorgans bei der Regulierung von Ganzkörperphänotypen hin. Beispielsweise stellten sie fest, dass körperliche Betätigung die Aktivität von Enhancern verändert, die mit kognitiven Fähigkeiten zusammenhängen.

"Unsere Ergebnisse liefern eine Erklärung für die bekannten positiven Auswirkungen von Sport. Indem wir jeden Enhancer einem Gen zuordnen, stellen wir außerdem eine Liste direkter Ziele bereit, die diese Effekte vermitteln könnten", sagt Prof. Romain Barrès, Leiter der Forschungsgruppe, die sich damit beschäftigt, wie Ernährung und körperliche Aktivität durch Modulation von Körper- und Keimzellen die langfristige metabolische Gesundheit heutiger und künftiger Generationen beeinflussen.

Referenzen:
1. Egan, B. & Zierath, J. R. Exercise Metabolism and the Molecular Regulation of Skeletal Muscle Adaptation. Cell Metabolism 17, 162–184 (2013).
2. Administration. Exercise improves health through changes on DNA. https://healthsciences.ku.dk/newsfaculty-news/2021/08/exercise-improves-health-through-changes-on-dna/ (2021).
3. Williams, K. et al. Epigenetic rewiring of skeletal muscle enhancers after exercise training supports a role in whole-body function and human health. Molecular Metabolism 53, 101290 (2021).
4. Spichak, S. Exercise Changes the Structure and Organization of DNA. In Fitness And In Health https://medium.com/in-fitness-and-in-health/exercise-epigentics-health-f33d3348b91b (2021).