Tai Chi kann die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität bei COPD verbessern und somit als wirksame alternative Trainingsmodalität in pulmonalen Rehabilitationsprogrammen empfohlen werden.1
Die mit einer COPD einhergehenden Probleme wie Atemnot, reduzierte körperliche Aktivität und verminderte Lebensqualität stellen oft eine große therapeutische Herausforderung dar. Pulmonale Rehabilitation ist zwar hilfreich, aber entscheidend wäre die Fortsetzung des körperlichen Trainings zu Hause – und genau da hapert es zumeist.
Eine Trainingsmodalität, die biopsychosozial alle Bereiche tangiert und sich hervorragend für COPD-Kranke eignet, ist Tai Chi.
Eine aktuell in der Fachzeitschrift 'Respiratory Medicine' erschienene randomisierte kontrollierte klinische Studie bestätigt erneut die multimodalen Effekte von Tai Chi.
Die Teilnehmer (zum Ausgangszeitpunkt im Mittel 69 Jahre alt, FEV1 48 %, GOLD-Stadium 3) wurden per Zufall entweder einer Walking- oder Tai Chi-Gruppe zugeteilt. In der Erhebung kristallisierten sich Atemnot und damit verbundene Angst und Scham, welche die körperliche Aktivität einschränken, als prädominante Themen heraus.
Beide Gruppen berichteten über mehr Energie und Ausdauer, aber diejenigen, die Tai Chi praktiziert hatten, verzeichneten darüber hinaus Verbesserungen hinsichtlich Atmung, Mobilität und Belastbarkeit bei alltäglichen Aktivitäten, die durch Körper- und Atembewusstsein, emotionale Kontrolle und Regulierung der Atmung sowie ein adaptives Reframing von Atemnot ermöglicht wurden. "Tai Chi förderte das körperliche und geistige Wohlbefinden, indem es die mit Atemnot assoziierten Ängste und Schamgefühle verringerte", resümierten die Autoren.2
Einer der Koautoren dieser Arbeit, Prof. Peter Wayne, PhD, ist seit vielen Jahren Wissenschaftler an der Harvard Universität und auch Tai Chi-Ausbilder. Vor einigen Jahren veröffentlichte er das erfolgreiche Buch 'The Harvard Medical School Guide to Tai Chi – 12 Weeks to a Healthy Body, Strong Heart, and Sharp Mind' (Harvard Health Publications). Darin fasst er innovative Forschungsliteratur objektiv zusammen und bietet faszinierende Einblicke in die zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen, die erklären, wie Tai Chi wirkt – auch auf die Gesundheit von Herz, Knochen, Nerven, Muskeln, Immunsystem und Geist.
Er integrierte zudem ein vereinfachtes Tai-Chi-Protokoll mit ausführlichen Beschreibungen und Fotos der Übungen, deren Wirksamkeit wie für ein Therapieprotokoll untersucht und belegt ist. Er möchte damit östliches und westliches Wissen verbinden, "in der aufrichtigen Absicht und Hoffnung, dass es Ihr Leben bereichert und Ihnen einen Wegweiser für Ihren eigenen Tai Chi-Weg bietet."3
Wichtig ist bei alledem, dass die Teilnehmer lernen, mit den Bewegungen gezielt zu atmen, ähnlich wie beim Yoga, wo Ein- oder Ausatmung mit bestimmten Bewegungsabläufen zusammengehören.
Eine ebenfalls in diesem Jahr veröffentlichte randomisierte klinische Studie untersuchte den Effekt von 12 Wochen Tai Chi (dies umfasste traditionelle Übungen, die eine meditative Atmung beinhalten) bei Patienten mit mittlerer bis schwerer COPD im Vergleich zu Mind-Body-Breathing (welches sich hauptsächlich auf achtsame Atemtechniken allein konzentrierte) und Aufklärung (Kontrollgruppe).4
Im Vergleich zur Schulungsgruppe zeigten mehr Teilnehmer der beiden Interventionskohorten Verbesserungen...
Im Vergleich zum alleinigen Mind-Body-Breathing hatten die Tai Chi-Teilnehmer eher die Absicht, ihre Selbstfürsorge fortzusetzen, waren selbstwirksamer in Bezug auf körperliche Aktivität und hatten eine bessere Flexibilität. Alle drei Gruppen verzeichneten mehr soziale Unterstützung und mehr Wissen über die Krankheit.
Auch für einige standardisierte Reha-Parameter gibt es viele positive Studiendaten. Eine größere Metaanalyse schloss elf Arbeiten ein, in denen Tai Chi mit reinem körperlichen Training oder gar keinem Training verglichen wurde.1 Die COPD-Patienten, die Tai Chi praktizierten, schnitten hinsichtlich der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest sowie der Punktzahlen im SGRQ und CRQ (St George's Respiratory Questionnaire, Chronic Respiratory Disease Questionnaire) besser ab als die anderen Gruppen. Der Vorsprung fiel überall signifikant aus, mit nur einer Ausnahme: im Vergleich zum reinen körperlichen Training hatten die Tai Chi-Teilnehmer im Gehtest zwar immer noch die Nase vorn, aber hier verfehlte der Abstand knapp statistische Signifikanz (mit p = 0,07).
Egal, ob krank oder gesund: im Rahmen der Primärprävention und Gesundheitsförderung nach §20 SGB V unterstützen gesetzliche Krankenkassen seit vielen Jahren die Teilnahme an sog. Gesundheitskursen und bezuschussen (nach entsprechendem vorherigen Antrag) in unterschiedlicher Höhe die Teilnahmegebühren, wenn der Kursanbieter die Kriterien zur Zertifizierung erfüllt. Pro Jahr dürfen Versicherte an je einem Bewegungs- und einem Entspannungsangebot teilnehmen. Da Tai Chi inzwischen für beide Bereiche anerkannt ist, sind also bei erfüllten Voraussetzungen theoretisch 2 Kurse pro Jahr erstattungsfähig (ohne Gewähr, vorherige individuelle Abfrage empfohlen).
Referenzen:
1. Wu, W. et al. Effects of Tai Chi on exercise capacity and health-related quality of life in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a systematic review and meta-analysis. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 9, 1253–1263 (2014).
2. Gilliam, E. A. et al. Managing the experience of breathlessness with Tai Chi: A qualitative analysis from a randomized controlled trial in COPD. Respir Med 184, 106463 (2021).
3. The Harvard Medical School Guide to Tai Chi. https://www.treeoflifetaichi.com/thebook.php.
4. Gilliam, E. A. et al. The impact of Tai Chi and mind-body breathing in COPD: Insights from a qualitative sub-study of a randomized controlled trial. PLoS One 16, e0249263 (2021).