Die gezielte Hemmung der Nekroptose könnte ein vielversprechender neuer Ansatz zur Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sein.
Nekroptose bezeichnet eine regulierte Form der Nekrose, die allerdings schädigende Wirkungen mit sich bringt. Zwar teilt sie mit der Apoptose die Aktivierung von Todes-Rezeptoren, beispielsweise des Fas-Rezeptors, jedoch leiten die Zellen im Unterschied dazu anschließend eine Art Selbstverdauung ein. Bei der Nekroptose platzt die Zelle und setzt ihren Inhalt in die umliegenden Gewebe frei, was zu einer Immunreaktion führt. Dies stellt eine Triebkraft für Inflammation und Zerstörung des Gewebes dar.
Apoptose spielt bei der COPD auch eine wichtige Rolle, aber sie stellt eine organisiertere Form des Zelltodes dar, die im Unterschied zur Nekroptose in der Regel nicht proinflammatorisch ist, da kein Zellinhalt austritt.
Australische und belgische Forscher berichten in einer aktuellen Studie im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, dass Nekroptose durch Zigarettenrauch ausgelöst werden kann und in den Lungen von COPD-Patienten und auch bei spezialisierten Mausmodellen der COPD gesteigert auftritt.1,2
In den Lungen und Lungenmakrophagen von Mäusen mit Zigarettenrauch-induzierter experimenteller COPD, Wildtyp-Mäusen sowie COPD-Patienten und gesunden Kontrollen untersuchten und verglichen die Wissenschaftler das Vorkommen von Zelltod, Nekroptose-bedingter mRNA und Proteinen.
Bei den Proteinen als zentral gelten RIPK3 und MLKL, da der Signalweg der Nekroptose von ihnen abhängig ist.
MLKL (Mixed lineage kinase domain-like protein) ist eine Pseudokinase, die eine Schlüsselrolle in der TNF-induzierten Nekroptose spielt. RIPK3 (Receptor-interacting serine/threonine-protein kinase) ist ebenfalls eine Komponente des TNF-Rezeptor-Signalweges und kann durch Interaktion mit RIPK1 und MLKL (dieser Proteinkomplex wird als Nekrosom bezeichnet), die Nekroptose auslösen.3 Es wird vermutet, dass phosphoryliertes MLKL Poren in der Plasmamembran erzeugt, was zu unkontrollierter Zellschwellung (Oncose) und rasanter Ruptur der Plasmamembran führt.4
Im Vergleich zu Nierauchern und Rauchern ohne COPD wiesen Lungengewebe von COPD-Kranken höhere Konzentrationen der Proteine MLKL und phospho-MLKL, jedoch nicht von RIPK3, auf.
Auch bei Mäusen mit experimenteller (durch Zigarettenrauch ausgelöster) COPD waren die Level von Nekroptose-typischer mRNA und dieser Proteine erhöht. Knockout-Mäuse mit einer Deletion des RIPK3- oder MLKL-Gens jedoch zeigten keine Inflammation der Atemwege in Reaktion auf Zigarettenrauch.
Genauer: Das Fehlen von RIPK3 minderte die Entzündung und den Umbau der Atemwege sowie die Entwicklung emphysematöser Pathologien nach chronischer Rauchexposition.
Auch eine kombinierte Hemmung von Apoptose (Pan-Caspase-Inhibitor) und Nekroptose (MLKL-Deletion) wurde untersucht. Letzteres resultierte ebenfalls in einer geringeren entzündlichen Reaktion auf Rauch, aber nur das Knockout von MLKL verhinderte Lungenschäden und Emphysementstehung.
Alle drei Interventionen zusammen (RIPK3-Deletion, MLKL-Deletion und Pan-Caspase-Inhibitor) konnten den Zigarettenrauch-induzierten Tod von Lungenzellen reduzieren.
Eine Hemmung der Nekroptose verringerte also die durch Rauchen ausgelöste Entzündung der Atemwege, was mit geringerem Remodeling des Lungengewebes und geringerer Emphysementwicklung einherging.
Die COPD ist weltweit für beträchtliche Behinderung verantwortlich und ist eine der häufigsten Todesursachen. Derzeit gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten, die ihr Fortschreiten aufhalten oder umkehren können. Die gezielte Hemmung dieses Signalweges erscheint somit als spannender Kandidat für weitere Forschung.
Referenzen:
1. Inhibition of necroptosis may be a new therapeutic approach to treating COPD. News-Medical.net https://www.azolifesciences.com/news/20210621/Inhibition-of-necroptosis-may-be-a-new-therapeutic-approach-to-treating-COPD.aspx (2021).
2. Lu, Z. et al. Necroptosis Signalling Promotes Inflammation, Airway Remodelling and Emphysema in COPD. Am J Respir Crit Care Med (2021) doi:10.1164/rccm.202009-3442OC.
3. RIPK3 receptor interacting serine/threonine kinase 3 [Homo sapiens (human)] - Gene - NCBI. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/gene?Db=gene&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=11035.
4. Linkermann, A., Kunzendorf, U. & Krautwald, S. Phosphorylated MLKL causes plasma membrane rupture. Mol Cell Oncol 1, e29915 (2014).