Neues von der deutschen COSYCONET-Kohortenstudie zur COPD und kardiovaskulären Interaktionen …
Nach dem Praxis-Website-Tipp des Monats im letzten Beitrag zur E-Zigarette haben wir diesmal ein Zitat der Woche zum Thema kardiorespiratorische Interaktion: "Die COPD ist eigentlich keine Krankheit für einen, der nur die Lunge im Fokus hat, weil man damit einfach zu kurz zielt", sagt der Pneumologe und letztjährige DGIM-Vorsitzende Prof. Claus Vogelmeier (Marburg) im Interview auf dem GSK-Portal pneumowissen.de.
Bei der kardiorespiratorischen Interaktion stellt sich laut Vogelmeier immer mehr heraus, dass es dabei nicht (nur) um Information, sondern in erster Linie um Mechanik geht: Die überblähte Lunge reduziert die Volumina und Diameter der Lungengefäße. Die resultierende Blutflussabnahme wirkt sich direkt auf Geometrie und Funktion des Herzens aus.
Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu, wurde aber nun auch durch Auswertungen der COSYCONET-Studie bestätigt. Die deutschlandweite COPD-Kohorte mit über 2.700 Patienten aus 29 Versorgungszentren erweist sich als wahres Füllhorn für publikatorisch verwertbare Daten und Erkenntnisse. Dabei stehen neben der Lungenmanifestation das Herz und das Kreislaufsystem der COPD-Patienten im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses.
Für Vogelmeier, Mitinitiator, Leiter und Sprecher von COSYCONET, ergibt sich somit auch immer wieder ein Anlass für Interviews wie in diesem Fall, beim ERS Kongress in Madrid Ende September. Dort war die kardiorespiratorische Interaktion auf verschiedenen Sitzungen "zentrales Thema", berichtet der Experte.
Durch die Überblähung werden sowohl der linke als auch der rechte Ventrikel in funktionelle Mitleidenschaft gezogen und nehmen im Durchmesser ab. Ein weiterer interessanter COSYCONET-Befund betrifft das EKG: Es kommt zu einem Lagewechsel in Abhängigkeit von der Überblähung. Dabei handelt es sich um keine Pathologie, sondern um eine direkte Konsequenz der geometrischen Veränderungen im Thorax.
Weitere Daten weisen der Herzfrequenz eine Rolle als entscheidender Faktor für das Überleben zu. "Je ruhiger der Puls, desto länger lebt man", so Vogelmeier. Diese Beobachtung bestätigt die Ergebnisse dänischer Wissenschaftler ("Kopenhagen-Studie").
In der COSYCONET-Analyse zeigte sich zudem eine Abhängigkeit der Mortalität von der Höhe der bei Patienten in stabiler Phase gemessenen Troponin-Spiegel. Diese liegen dabei nicht etwa im Infarktbereich, sondern sind nur leicht bis mittelgradig erhöht.
Das bedeutet, dass bei der COPD in der ganz normalen Krankheitssituation dauernd Herzmuskelzellen untergehen. Die entscheidende Frage, die sich vor diesem Hintergrund stellt, lautet: "Was können wir machen, um das zu verhindern?" Eine Antwort darauf gibt es im Interview leider nicht. Auf die Nachfrage nach den Implikationen für die tägliche Praxis äußert sich der Experte mit dem eingangs zitierten, leicht provokanten Statement (vorneweg: "Also, ich hab‘ dazu ne klare Meinung, da habe ich mir auch schon paarmal den Mund verbrannt …").
Vogelmeiers Botschaft an die niedergelassenen Kollegen lautet:
Kleiner Tipp:
Die Verlinkung "Zu den Charts" unter dem hier auf pneumowissen.de an zweiter Stelle platzierten Video-Interview mit Prof. Vogelmeier funktioniert leider nicht. Dafür aber der darüber befindliche Link-Button Best of ERS 2019 – Das gesamte Chart zum Download mit Folien zu allen ausgewählten Themen.
In dem Foliensatz findet sich das frisch publizierte COSYCONET-Ergebnis in Form der folgenden Abbildung zum Effekt der Atemwegsobstruktion und Überblähung auf die EKG-Achsen bei COPD-Patienten (modifiziert nach Alter et al1):
Referenzen:
Alter P et al. Effects of airway obstruction and hyperinflation on electrocardiographic axes in COPD. Respiratory Research 2019;20(1). doi:10.1186/s12931-019-1025-y
Abkürzung:
ERS = European Respiratory Society