Nicht einmal jeder vierte Patient mit Lungenembolie und hämodynamischer Instabilität bekommt eine systemische Lyse. Da ist noch deutlich Luft nach oben.
Heute mal, schon fast im Urlaubsmodus, ein schlichter Blog-Beitrag. Die Arbeit kommt aus gutem deutschen Hause, nämlich von der Universitätsmedizin Mainz, die gerade mit einer nicht ganz so guten Nachricht durch den Newsticker von esanum gelaufen ist.
In der größten Klinik in Rheinland-Pfalz ist im vergangenen Jahr alles gestiegen: die Zahl der stationär betreuten Patienten um 0,6% auf 69.324 ("gegen den Bundestrend", wie es heißt), die Zahl der ambulant behandelten Patienten um 1,2% auf 282.317, die Erlöse aus dem Krankenhausbetrieb um 4,1% auf 457,6 Millionen Euro und der Gesamtumsatz um 5,2% auf 775,5 Millionen Euro.
Soweit so schick. Leider ist auch der Verlust gestiegen: um rund 80% auf 59,7 Millionen Euro. Das ist der weniger gute Teil der Nachricht. Die Landesregierung erwartet zwar mit Blick auf das wirtschaftliche Ergebnis keine Genesung, aber doch eine Besserung. Und hofft auf positive Effekte der anstehenden Finanzspritze: Im Doppelhaushalt 2019/20 sind für das einzige Uniklinikum in Rheinland-Pfalz "70 Millionen Euro für das Investitionspaket und 10 Millionen zusätzlich an struktureller Finanzierung" eingeplant. Der Rotstift wird in diesem Jahr aber auch angesetzt: 100 der rund 5.700 Vollzeitstellen werden abgebaut– aus allen Bereichen mit Ausnahme der Pflege.
Aus dem Bereich Forschung, nämlich vom Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Mainzer Unimedizin, kommt eine interessante Arbeit zu Trends im Gebrauch der Lysetherapie und zum Outcome bei Patienten mit akuter Lungenembolie in Deutschland.1
Der klinische Stellenwert der Lungenembolie ist bekanntermaßen enorm:
In den letzten Jahrzehnten haben die jährlichen Inzidenzraten der Lungenembolie zugenommen, während gleichzeitig die Sterblichkeitsraten gesunken sind. Der Anstieg an Neuerkrankungen dürfte sowohl auf die demografische als auch auf die technologische Entwicklung mit verbesserter Bildgebung zurückzuführen sein. Die Abnahme der Mortalität wiederum kann einerseits einem verbesserten Risikomanagement und andererseits einer höheren Zahl an Patienten mit kleineren, weniger gefährlichen Embolie zuzurechnen sein.
Gleichwohl bleibt die Lungenembolie, trotz Awareness-Kampagnen in Fachwelt und Öffentlichkeit zur Thrombose-Prävention, die führende Ursache für vermeidbare Todesfälle bei hospitalisierten Patienten.1
Die aktuellen Leitlinien empfehlen die systemische Lyse bei hämodynamisch instabilen (Hochrisiko-) Patienten mit Lungenembolie. Bei ausgewählten normotensiven Patienten mit drohender Dekompensation ist sie zu erwägen. Ein Überlebensvorteil und damit Unterstützung für diese Empfehlung fand sich in einer bevölkerungsbasierte Studie3 aus den USA. Gleichzeitig trat dabei aber auch ein zu geringer Einsatz der indikationsgerechten Lysetherapie zutage.
Für deutsche Verhältnisse werden beide Erkenntnisse nun durch die Untersuchung der Mainzer Wissenschaftler in Kooperation mit der Berliner Charité bestätigt.1 Die Analyse der Daten von über 885.000 Patienten mit Lungenembolie, die zwischen 2005 und 2015 in Deutschland stationär behandelt wurden, ergab:
Bei der Lysetherapie sah die Situation so aus:
Im Vergleich zu lysierten Patienten wiesen die Nicht-Lysierten häufiger ein höheres Alter, Operationen während des stationären Aufenthalts und Krebserkrankungen auf.
Den größten Nutzen der medikamentösen Reperfusion bei hämodynamischer Instabilität trugen Patienten mit Schock, aber noch ohne Kreislaufstillstand davon: Ihre Krankenhausmortalität lag ohne Lyse bei 49,9% vs. 28,6% mit Lyse (OR 0,42). Für CRP-Patienten gab es auch einen Überlebensvorteil, der aber geringer ausfiel (OR 0,92). Die Rate an intrazerebrale Blutungen erhöhte sich unter der Lyse bei instabilen Lungenembolie-Patienten von 0,7% auf 1,5%.
Die chirurgische Reperfusion mittels Embolektomie kam bei einem konstant kleinen Teil der Patienten zum Einsatz (0,2%) und konnte die Sterblichkeit ebenfalls reduzieren (OR 0,55).
Fazit: Eine Reduktion der Krankenhausmortalität um mehr als 50%, unabhängig von Alter, Geschlecht und Begleiterkrankungen, ist beeindruckend. Bei kreislaufinstabilen Lungenembolie-Patienten sollte, sofern keine absoluten Kontraindikationen bestehen, eine systemische Lyse so früh wie möglich zum Einsatz kommen. Limitation der Studie: keine Daten zu Begleitmedikationen, Verlauf der Kreislaufinstabilität und Todesursachen.
Referenzen:
1. Keller K et al. Trends in thrombolytic treatment and outcomes of acute pulmonary embolism in Germany. Eur Heart J. 2019. pii:ehz236. doi:10.1093/eurheartj/ehz236
2. Wilkens H, Held M. Lungenarterienembolie: Status 2018. Dtsch Arztebl 2018;115(24):[8]. doi:10.3238/PersPneumo.2018.06.15.002
3. Stein PD, Matta F. Thrombolytic therapy in unstable patients with acute pulmonary embolism: saves lives but underused. Am J Med 2012;125:465-70
Abkürzungen:
OR = adjustierte Odds Ratio