Wie ein vielfältiges Umweltmikrobiom vor Asthma schützt

Basierend auf neuen Studienerkenntnissen wird am Helmholtz Zentrum München ein innovativer Ansatz zur Asthmaprävention bei Kindern entwickelt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

Basierend auf neuen Studienerkenntnissen wird am Helmholtz Zentrum München ein innovativer Ansatz zur Asthmaprävention bei Kindern entwickelt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

Wir kennen inzwischen diverse Faktoren, die das Asthmarisiko bei Kindern beeinflussen.1 Eine Forschungsgruppe des Helmholtz Zentrums München und des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) fand in Untersuchungen an Kindern weitere Belege dafür, warum beispielsweise das Aufwachsen auf einem Bauernhof protektiv wirkt: es fördert die Reifung des Darmmikrobioms.2 Das Darmmikrobiom könnte über Metaboliten zum Schutz vor Asthma beitragen, was das Konzept einer Darm-Lungen-Achse beim Menschen unterstützt.3

Reifung des Immunsystems untrennbar mit der Reifung der kolonisierenden Bakterien des Darms verbunden

Der Darm wird inzwischen oft als unser größtes "Immunorgan" bezeichnet und der Kontakt mit intestinalen Besiedlern ist wichtig für die Aktivierung und Ausbildung des Immunsystems. In diesem Beitrag hatten wir bereits über einige physiologische Mechanismen gesprochen, die der "Alten Freunde"-Hypothese zugrunde liegen. Eine in der Zeitschrift 'Nature' erschienene Studie liefert weitere Hinweise darauf, welch großen Einfluss der Darm auf die Gesundheit der Lunge nehmen kann.2,3

Das Münchner Forschungsteam griff hierfür auf eine europäische Geburtenkohorte ('PASTURE') zurück, die bereits seit knapp 20 Jahren Kinder in europäischen ländlichen Gebieten untersuchte. Die Hälfte der Kinder wurde von Müttern geboren, die auf einem familiengeführten Bauernhof lebten. Im österreichischen, finnischen, deutschen und schweizerischen Arm dieser Studie (n = 930, 49% weiblich) wurden im Alter von zwei und zwölf Monaten Stuhlproben entnommen. Kinder auf Bauernhöfen sind bekanntermaßen einer größeren Vielfalt an Umweltmikrobiota und potenziell förderlichen Mikroorganismen ausgesetzt.

Die Analyse der Stuhlproben ergab, dass ein relevanter Teil der Schutzwirkung des Bauernhofs vor Asthma im Kindesalter auf die Reifung des Darmmikrobioms im ersten Lebensjahr zurückzuführen ist, indem Umweltmikrobiota aufgenommen werden und mit dem Darmmikrobiom interagieren. Hierfür spielen nicht nur die fäkal-oral übertragenen Infektionen eine Rolle, die von der Hygienehypothese als schützend postuliert werden. Beispielsweise beim Spielen in Tierställen atmen die Kinder möglicherweise Mikroorganismen ein, die ihre Wirkung auch direkt in den Atemwegen entfalten können.

Ein unreifes Darmmikrobiom kann zur Entwicklung von Krankheiten beitragen

Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass das Aufwachsen auf einem Bauernhof die Reifung des Darmmikrobioms fördert. Darüber hinaus zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Asthma und der gemessenen Konzentration von Butyrat im Stuhl. Für diese kurzkettige Fettsäure ist in Studien am Mausmodell bereits eine protektive Wirkung gegenüber allergischer Inflammation beschrieben worden und die Münchner Daten legen eine analoge Bedeutung dieser Metaboliten beim Menschen nahe. Darmbakterien, die solche Fettsäuren produzieren, waren bei Kindern mit einem ausgereiften Darmmikrobiom im Vergleich zu anderen Kindern in größerer Menge nachweisbar (z. B. Roseburia- und Coprococcus-Bakterien).

Die Atemwege der untersuchten Kinder schienen somit nicht nur durch ein ausgereiftes Darmmikrobiom geschützt, sondern auch durch den damit verbundenen hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren.

Dr. Markus Ege, Professor für klinisch-respiratorische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital, betont, dass Präventionsstrategien im ersten Lebensjahr somit besonders wichtig sein könnten, wenn das Darmmikrobiom noch leicht zu beeinflussen ist.2

Von den ersten Lebensstunden an beginnen Mikroorganismen, unser Immunsystem zu prägen. Nach massiven Veränderungen im ersten Lebensjahr stabilisiert sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms zusehends und begleitet uns ein Leben lang, meinen die Forscher.2 Sie stellten weiterhin fest, dass eine vaginale Geburt und das Stillen ebenfalls zur Schutzfunktion des Mikrobioms in den ersten zwei Lebensmonaten beitrugen.

Ihre Mithilfe ist gefragt!

In Vorbereitung eines neuen Präventionsansatzes sucht das Institut für Asthma und Allergieprävention des Helmholtz Zentrums München derzeit Betroffene, die bereit sind, an einer etwa 10-minütigen Online-Umfrage teilzunehmen.

"Um diese Entwicklung bestmöglich auf die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen auszurichten, bitten wir insbesondere Familien mit an Asthma erkrankten Kindern sowie Familien mit an Allergien oder Asthma erkrankten Angehörigen um Ihre Unterstützung und Teilnahme an unserer anonymen Online-Befragung."

Hier geht es zur Umfrage.

 

Referenzen:
1. Online-Umfrage: Asthmaprävention bei Kindern – Lungeninformationsdienst.
2. Wie Bauernhöfe vor Asthma im Kindesalter schützen.
3. Depner, M. et al. Maturation of the gut microbiome during the first year of life contributes to the protective farm effect on childhood asthma. Nat Med 26, 1766–1775 (2020).