Der 72. Jahreskongress der AAN (American Academy of Neurology) in Toronto (25. April–1. Mai 2020) wurde wegen des Coronavirus abgesagt. Ein diabetologisch relevantes, kleines Highlight bringen wir Ihnen derweil nach Hause.
Ältere Menschen, die trotz 7 Stunden Schlaf (oder mehr) an übermäßiger Tagesschläfrigkeit leiden, könnten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Diabetes, Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen haben. Zu diesem Schluss kommt eine amerikanische Studie an fast elftausend Personen, deren Ergebnisse anlässlich des AAN‑Kongresses vorgestellt worden wären.1
Bei einer im Vorjahr von den gleichen Autoren veröffentlichten Erhebung an knapp 16 Tsd. Personen gaben 15,6% der Befragten an, über die letzten drei Monate an mindestens drei Tagen pro Woche an übermäßiger Tagesmüdigkeit trotz ausreichender Schlafdauer zu leiden.2 In mehr als einem Drittel der Fälle (36,7%) war die Störung chronisch. Für viele Betroffene wirkt sich Hypersomnolenz stark darauf aus, wie leistungsfähig sie sich auf der Arbeit und bei anderen täglichen Aktivitäten fühlen.
In die neue Untersuchung waren mehr ältere Menschen eingeschlossen. Hier lagen die Zahlen noch etwas höher: fast jeder Vierte über 65‑Jährige erfüllte die Kriterien für Hypersomnolenz, die bei 41% ein chronisches Problem darstellte.
Das Spannende: nach Korrektur für andere Faktoren, die das Auftreten von Tagesmüdigkeit beeinflussen (wie Geschlecht oder Schlafapnoe), beschrieb die Studie Zusammenhänge zu Risiken für Gesundheitsprobleme in der nahen Zukunft.
So entwickelten mehr als doppelt so viele Probanden, die bei Untersuchungsbeginn Tagesschläfrigkeit berichtet hatten, bis zum Follow-Up-Zeitpunkt nach drei Jahren einen Diabetes (6,2% versus 2,9% ohne Hypersomnolenz). Auch ein Hypertonus bestand nach drei Jahren in dieser Gruppe 2,3 mal häufiger. Des Weiteren erkrankten 2,4% der Hypersomnolenten im Nachbeobachtungszeitraum an Krebs, im Vergleich zu 0,8% derer, die tagsüber nicht schläfrig waren. Unter denjenigen, die zu beiden Untersuchungszeitpunkten Tagesmüdigkeit angegeben hatten, war das Risiko, eine Herzerkrankung zu entwickeln 2,5‑fach erhöht.
Auch wenn diese Arbeit dadurch limitiert war, dass die Interviewer sich auf die anamnestischen Angaben und das Gedächtnis der Befragten verlassen mussten, sprechen die Ergebnisse dafür, dass das Thema näher erforscht werden sollte.
Bislang gibt es hierzu deutlich weniger Studien als für die Gegenrichtung. Umgekehrt leiden bis zu einem Drittel der Diabetiker an Schlafstörungen, vermittelt durch krankheitsbegleitende Faktoren wie Nykturie, Restless-Legs-Syndrom, nächtliche Hypoglykämie, periphere Neuropathie und schlafbezogene Atmungsstörungen. Diese Probleme können in fragmentiertem Schlaf und schlechter Lebensqualität resultieren.3
"Auf Schläfrigkeit bei älteren Erwachsenen zu achten, könnte Ärzten helfen, zukünftige medizinische Probleme zu prognostizieren und ihnen vorzubeugen", meint Studienautor Dr. Maurice M. Ohayon, Ph.D., von der Universität Stanford, Kalifornien, Mitglied der AAN. "Ältere Erwachsene und ihre Angehörigen sollten die Schlafgewohnheiten genauer beobachten, um das potenzielle Risiko für die Entwicklung einer ernsteren Erkrankung zu erfassen."
Referenzen:
1. Are Grandma, Grandpa Sleepy During the Day? They May Be at Risk for Diabetes, Cancer, More. https://www.aan.com/PressRoom/Home/PressRelease/3776?_ga=2.220672863.631416247.1584364673-1292338767.1584364673.
2. Sullivan, S., Ohayon, M. M. & Cote, M. L. 0591 Hypersomnolence Prevalence and Evolution in a Longitudinal Survey of the US General Population. Sleep 42, A236–A236 (2019).
3. Surani, S., Brito, V., Surani, A. & Ghamande, S. Effect of diabetes mellitus on sleep quality. World J Diabetes 6, 868–873 (2015).