- Sai P.P. et al. (2022). Antibodies targeting conserved non-canonical antigens and endemic coronaviruses associate with favorable outcomes in severe COVID-19. Cell Reports, 111020, June 12,2022.
Eine Forschungsgruppe der Universität Pittsburgh kam zu einem alles in der COVID-19-Pandemie verändernden Ergebnis: Antikörperprofile interner Virusproteine besitzen dieselbe prognostische Relevanz wie das Spike-Protein. Darüber hinaus könnten diese internen Virusproteine in den Fokus der Impfstoffentwicklung geraten. In den internen Virusproteinen sind weitaus weniger Mutationen anzutreffen. Gegen diese Proteine gerichtete Impfstoffe könnten selbst bei neuen Varianten eine robustere Immunität hervorrufen.1
Die humorale Reaktion gegen kanonische Antigene wurde bereits umfassend untersucht. Zu den kanonischen Antigenen zählen die rezeptorbindende Domäne (RBD) von S, Spike (S) und Nukleokapsid (N). SARS-CoV-2 hat neben den kanonischen Antigenen noch rund 25 weitere nicht-kanonische Antigene. Bei einer schweren COVID-19-Erkrankung sind die Antikörper gegen die kanonischen Antigene erhöht. Bei einer asymptomatischen Infektion oder einer Infektion mit nur leichter Symptomatik hingegen ist der Antikörpertiter gegen die kanonischen Antigene nicht erhöht. Aus immunologischer Sicht ist diese Tatsache besorgniserregend: Antikörper können über Antikörper-abhängiges Enhancement (ADE) oder auch über eine Antikörper-vermittelte Aktivierung von Entzündungswegen zur Schwere der Erkrankung beitragen. Wir wissen aus anderen wissenschaftlichen Studien, dass proinflammatorische Antikörper-Fc-Strukturen mit dem Schweregrad der Erkrankung korrelieren können (Bye et al., 2021; Chakraborty et al., 2020; Hoepel et al., 2021; Larsen et al., 2021). Die nicht-kanonischen Antigene sind ebenso wichtig für die Immunreaktion. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion treten zelluläre und humorale Immunantworten gegen diese auf.1
Die große symptomatische Heterogenität und der unvorhersehbare Verlauf der COVID-19-Erkrankung stellen weiterhin große Herausforderungen dar. Das Auftreten neuer Varianten macht es nicht leichter. Die Infektion mit SARS-CoV-2 führt nicht bei jedem Menschen zu einer schweren Erkrankung, sondern ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei einigen verläuft die Infektion asymptomatisch. Aktuell fehlen personalisierte Prädiktoren für den Krankheitsverlauf einer schweren COVID-19-Erkrankung. Die immunologischen Faktoren, die die Sterblichkeit und das Überleben bei schwerer COVID-19-Erkrankung beeinflussen sind nach wie vor noch unklar.
Eine Forschungsgruppe der Universität Pittsburgh hat sich genau mit dieser Thematik befasst. Erst kürzlich wurde die wissenschaftliche Arbeit dieser Forschungsgruppe im renommierten Magazin Cell Reports veröffentlicht. In die Studie einbezogen wurde eine kleine Gruppe von Patienten (n=21) mit schwerer COVID-19-Erkrankung. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung gab es noch keinen zugelassenen Impfstoff. Die Patienten waren dementsprechend alle nicht geimpft. Von den 21 Patienten überlebten 14. Die Forschenden analysierten die Blutproben dieser 21 Patienten hinsichtlich der COVID-19-Antikörper. Anhand der so gewonnenen Daten konnte die Forschungsgruppe Antikörperprofile interner Virusproteine anlegen und die davon abhängige Überlebenswahrscheinlichkeit bestimmen. Diese Antikörperprofile sind von großer prognostischer Relevanz.
Auch könnten sie in Zukunft für das Impfen eine große Rolle spielen. Bei der Analyse des gesamten Antikörperprofils stellte die Forschungsgruppe deutliche Unterschiede zwischen Überlebenden und Nicht-Überlebenden fest. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass nicht-kanonische Antikörper eine Rolle bei der Genesung einer schweren COVID-19-Erkrankung spielen könnten.1