Onkologische Erkrankungen sind inzwischen häufigste Todesursache vor kardiovaskulären Erkrankungen

Krebs ist in Ländern mit hohem Einkommen nun für doppelt so viele Todesfälle verantwortlich wie kardiovaskuläre Erkrankungen, wie zwei aktuell im 'Lancet' publizierte Studien berichten.

Krebs ist in Ländern mit hohem Einkommen nun für doppelt so viele Todesfälle verantwortlich wie kardiovaskuläre Erkrankungen, wie zwei aktuell im 'Lancet' publizierte Studien berichten.

In Ländern mit hohem Einkommen hat Krebs kardiovaskuläre Erkrankungen als führende Todesursache eingeholt.
Diese Erkenntnis stammt aus der 'PURE'‑Studie (Prospective Urban and Rural Epidemiologic study), einer prospektiven Kohortenstudie, die eine große Anzahl von Daten aus vielen Ländern mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen umfasst. Diese und eine begleitende Publikation erschienen in der September-Ausgabe des Lancet und wurden auch anlässlich des diesjährigen Kongresses der European Society of Cardiology (ESC) vorgestellt.1,2

Neue epidemiologische Entwicklungen bei nichtübertragbaren Krankheiten mit globalen Unterschieden

Kardiovaskuläre Erkrankungen führen in wohlhabenden Ländern mittlerweile – wenn sie auftreten – seltener zum Tod. Weltweit betrachtet stellen sie jedoch mit etwa 40% noch immer die führende Todesursache bei Erwachsenen mittleren Alters dar (im Vergleich zu 26% durch Krebs). Von den 55 Mio. Todesfällen, die sich 2017 ereigneten, gehen geschätzt 17,7 Mio. auf kardiovaskuläre Komplikationen zurück.3

In Ländern mit geringem Einkommen kam es unter Erwachsenen mittleren Alters 2,5‑mal häufiger zu kardiovaskulär bedingten Todesfällen als in Ländern mit hohem Einkommen – und das, obwohl die Inzidenz kardiovaskulärer Risikofaktoren in ärmeren Ländern niedriger ausfällt. Die Studienautoren führen die höhere kardiovaskuläre Mortalität in diesen Ländern primär auf die schlechtere medizinische Versorgung zurück. Bspw. sind die Hospitalisationsraten und der Einsatz entsprechender Medikationen in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen geringer.4

Erstautor Prof. em. Dr. Gilles Dagenais, Laval University, Quebec, Canada, schätzt jedoch, dass mit dem Rückgang kardiovaskulärer Erkrankungen Krebs hochwahrscheinlich innerhalb nur weniger Dekaden auch global an erste Stelle der Todesursachen rücken wird.

Krebs in Europa bereits seit Jahren für mehr Todesfälle verantwortlich als kardiovaskuläre Erkrankungen

Die 'PURE'‑Studie folgte über 162 Tsd. Personen zwischen 35 und 70 Jahren aus 21 Ländern für fast 10 Jahre. In dieser Zeitspanne erkrankten 5,7% kardiovaskulär, 3,2% onkologisch, 2,7% erlitten Verletzungen, die eine Hospitalisation notwendig machten, 1,8% hatten eine Pneumonie und 1,1% eine COPD.
Zu den untersuchten Ländern mit niedrigem Einkommen gehörten Bangladesch, Indien, Pakistan, Tansania und Zimbabwe. Zu jenen mit hohem Einkommen gehörten Kanada, Saudiarabien, Schweden und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Völlig neu ist die Botschaft aber nicht. Eine 2016 im European Heart Journal veröffentlichte Analyse der WHO kam bereits zu dem Ergebnis, dass die kardiovaskuläre Mortalität auf dem gesamten Kontinent über die letzte Dekade hinweg stark gefallen sei (je nach Region um 25-50%), was Krebs auf Platz 1 vorrücken ließ.5
Die USA waren nicht Teil der 'PURE'‑Studie, aber vorausgehende Arbeiten ergaben auch dort bereits Krebs als Haupttodesursache, nachdem er kardiovaskuläre Erkrankungen in etwa der Hälfte der US‑Staaten überholt hat und in der hispanischen Bevölkerung der führende Grund für Todesfälle ist.4

Eine für klinische Praxis und Lebensführung wichtige Tatsache ist den beiden führenden Todesursachen gemeinsam: die Mehrheit lässt sich auf modifizierbare Risikofaktoren zurückführen, wie Rauchen, körperliche Aktivität, Ernährung und Alkoholkonsum. Bisherige Studien schätzen den Beitrag dieser Faktoren zu kardiovaskulären Erkrankungen auf 85% und zu onkologischen Erkrankungen auf etwa die Hälfte.6

Referenzen:
1. Dagenais, G. R. et al. Variations in common diseases, hospital admissions, and deaths in middle-aged adults in 21 countries from five continents (PURE): a prospective cohort study. The Lancet 10.1016/S0140-6736(19)32007–0, (2019).
2. Yusuf, S. et al. Modifiable risk factors, cardiovascular disease, and mortality in 155 722 individuals from 21 high-income, middle-income, and low-income countries (PURE): a prospective cohort study. The Lancet 10.1016/S0140-6736(19)32008–2, (2019).
3. Mahase, E. Cancer overtakes CVD to become leading cause of death in high income countries. BMJ 366, l5368 (2019).
4. September 3, M. M. N. & 2019 1. Cancer Overtakes CVD as Leading Cause of Death in Wealthy Nations. Medscape Available at: http://www.medscape.com/viewarticle/917608. (Accessed: 4th September 2019)
5. Townsend, N. et al. Cardiovascular disease in Europe: epidemiological update 2016. Eur Heart J 37, 3232–3245 (2016).
6. Cancer Overtaking Heart Disease as Europe’s Biggest Killer. Medscape Available at: http://www.medscape.com/viewarticle/867493. (Accessed: 4th September 2019)