Vorhofflimmern: Screening zur Frühdiagnostik
Viele Schlaganfälle werden durch Vorhofflimmern ausgelöst. Oft verhindert die späte Diagnose eine frühe Behandlung. Was können neue Screening-Methoden bewirken?
Vorhofflimmern wird zu spät erkannt
- Das Vorhofflimmern geht mit einem erhöhten thrombembolischen Risiko einher und verläuft oftmals asymptomatisch, sodass keine Diagnosestellung oder Therapie erfolgt.
- Etwa 30 % der kryptogenen Schlaganfälle basiert auf einem Vorhofflimmern, das erst durch langfristige EKG-Aufzeichnung evident wird.
- Leicht zugängliche Screening-Methoden mithilfe von Smartphones oder Smartwatches könnten eine frühere Diagnose und Therapie ermöglichen, aber bergen auch das Risiko für falsch-positive Befunde.
Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern
Dass ein Vorhofflimmern mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und andere Komplikationen einhergeht, ist bekannt. Relativ neu ist jedoch die Erkenntnis, dass etwa 30% aller kryptogenen Schlaganfälle retrospektiv durch ein Vorhofflimmern ausgelöst werden. Festgestellt wurde dies in einer neueren Studie, bei der Patientinnen und Patienten mit Schlaganfällen aus unklarer Ursache Rekorder implantiert wurden. Nach drei Jahren fiel bei etwa 30 % der Probanden ein VHF auf. Zum Vergleich: Im 24-Stunden-EKG war dies nur bei 2 % derselben Population der Fall.
Es ist daher nicht überraschend, dass viele Betroffene die Diagnose Vorhofflimmern erst dann erhalten, wenn sie symptomatisch werden. Das Risiko für Schlaganfälle und andere thrombembolische Ereignisse steigt jedoch schon lange bevor das erste Anzeichen der Erkrankung bemerkt wird und zum Arztbesuch führt.
Wie kann eine frühere Diagnosestellung erreicht werden?
In Anbetracht dieser Statistiken wird deutlich, wie wichtig es ist, Erkrankte früh zu erkennen und einer Behandlung zuzuführen. Dass konventionelle Screening-Methoden, wie das Langzeit-EKG,icht alle Patienten mit VHF identifizieren kann, wird aus den Daten ebenfalls klar.
Neue Technologien finden auch in der Medizin immer mehr Anwendung und können auch im Falle des Vorhofflimmerns die Ausgangslage für viele Betroffene verbessern. In diversen Studien wurden insbesondere zwei Methoden untersucht:
- Die Photoplethysmographie über die eingebaute Kamera im Handy
- Ein Einkanal-EKG, wie es zum Beispiel manche Smartwatches aufzeichnen können
Beide Methoden sind in der Bevölkerung im Allgemeinen gut zugänglich und leicht durchzuführen.
Großangelegte Studien
Es gibt mehrere große Studien, die sich mit der Erkennung von Vorhofflimmern durch Apps oder andere Technologien befassen:
- In einer Studie aus Belgien aus dem Jahr 2019 wurden Teilnehmer dazu aufgefordert, über sieben Tage zweimal täglich über die Kamera des Smartphones eine Photoplethysmographie durchzuführen. An dieser Studie nahmen über 12.000 Probanden teil.
- Die Apple Heart Study aus dem Jahr 2019 konnte über 400.000 Teilnehmer rekrutieren und basierte auf Ein-Kanal-EKGs, die von Smartwatches aufgezeichnet wurden.
- Eine etwas ältere australische Untersuchung aus dem Jahr 2014 basiert ebenfalls auf Ein-Kanal-EKGs, die mithilfe eines tragbaren Gerätes, auf das die Finger des Probanden gelegt werden, erfasst werden. Hier nahmen 1.000 Personen teil.
Obwohl die Studien mitunter sehr große Populationen enthalten, ist wichtig anzumerken, dass das Durchschnittsalter der Teilnehmer nicht dasselbe ist, welches in der Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Risiko für Schlaganfälle zu erwarten wäre.
Ergebnisse
Alle drei Studien waren in der Lage, ein Vorhofflimmern in der relevanten Risikogruppe sicher zu identifizieren:
- In der belgischen Studie lag die Prävalenz von neu aufgezeichnetem VHF bei etwa 11 % für über 80-jährige und bei etwa 2 % für die Population der 60- bis 69-Jährigen.
- Die Apple Heart Study verschickte an diejenigen, deren EKG ein VHF nahelegte, Patches und wertete 450 davon aus. Hierbei wurde in 153 Fällen, also 34 % der ausgewerteten Patches ein neues Vorhofflimmern diagnostiziert.
- In der australischen Studie lag das Durchschnittsalter bei 76 Jahren und in 1,5 % der Probanden wurde ein neues VHF diagnostiziert.
- Die Ergebnisse zeigen eine hohe Spezifität und Sensitivität, vergleichbar mit den bisherigen Goldstandards zur Diagnostik.
- Die Verfahren sind kostengünstig.
Fazit für die Praxis
Neue Technologien stellen ein gutes Screening-Tool für VHF dar, welches leicht durchführbar und kostengünstig ist. Die hohe Spezifität und Sensitivität erlauben zuverlässige Ergebnisse. Die Leitlinien empfehlen jedoch eine bestätigende EKG-Ableitung, bevor eine Therapie begonnen wird. Offen bleibt auch die Frage nach der therapeutischen Konsequenz nach der Detektion von Auffälligkeiten, sodass weitere Studien folgen sollten.
1. Session: Evidenz in Diagnostik und Therapie – Schlaganfälle verhindern
2. Breitbard, Philipp, Dr. med., Universitätsklinikum Freiburg, Screening – up to date, 128. Kongress der DGIM, 30.04.2022