Dr. House ist ein eher unsympathischer Zeitgenosse und doch ein Publikumsmagnet. Vor allem Mediziner sehen gerne zu, wenn er im Fernsehen seine virtuellen Mitarbeiter mit ihren Diagnosen immer wieder auflaufen lässt, bis er als Deux ex Machina am Ende immer die richtige Entscheidung trifft. Kein Wunder also, dass beim MSD-Symposium auf dem DGRh-Kongress mit dem Titel: "Dr. House in der Rheumatologie" ein großer Saal bis auf den letzten Platz besetzt war.
Natürlich war es nicht nur eine Gestalt aus dem Fernsehen, die die Teilnehmer in Stuttgart in die Veranstaltung zog. Es waren vor allem die prominenten Namen, die die Rolle von Dr. House übernahmen. Zu Beginn stellte Prof. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Direktor der Rheumatologie der Charité Berlin, Fälle aus seiner Klinik vor und ließ das Publikum per TED Diagnose- und Therapievorschläge machen.
Burmesters erster Fall ist ein männlicher, 43-jähriger Patient, Kellner von Beruf, mit Verdacht auf eine reaktive Arthritis und Diabetes insipidus centralis. Bei der Anamnese klagt er über Nacken- und Schulterschmerzen und wandernde Gelenkschmerzen seit vier Wochen. Auffällig ist seine Polydypsie und Polyurie: Er trinkt 9 Liter am Tag und muss halbstündlich Wasserlassen. Die körperliche Untersuchung ist außer einer Tenosynovialitis an einem Finger und gerötete Skleren weitgehend ohne Befund. Im Labor allerdings zeigen sich sehr stark erhöhte CRP- (127 mg/l) und BSG-Werte (57 mm/h). Im Urin findet sich Blut. Der Röntgen-Thorax ist unauffällig; in der Skelettszintigraphie sieht man polyarthritische Gelenkveränderungen vor allen an den Handgelenken und einzelnen Fingern. Die Urinanalyse ergibt eine anhaltende Mikrohämaturie und den Nachweis eines aktiven Sediments mit dysmorphen Erythrozyten.
Nun stellt sich die Frage an das Publikum: Was hat dieser Patient? Eine Mikroskopische Polyangiitis, eine Granulomatose mit Polyangiitis, eine Panarteriitis nodosa, eine Membranöse Glomerulonephritis oder keine der genannten. Die Antwort lautete: Er leidet an einer Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) mit pulmonaler Beteiligung mit akuter respiratorischer Insuffizienz und einem akuten Nierenversagen. Seine Polydypsie und Polyurie ist renal bedingt durch ein Hypophysenmikroadenom.
Behandelt wird er zunächst mit einer nicht-invasiven Beatmung für sechs Tage, einer Urbasonbolustherapie mit zunächst 500 m, später mit 1000 mg. Darauf erhält er eine 6malige Plasmapherese, IVIG (i.V. Immunglobuline) und eine einmalige Gabe Cyclophosphamid à 800 mg. 6 Zyklen Cyclophosphamid und eine anschließende Erhaltungstherapie mit Azathioprin bewirken eine vollständige Remission.
Der zweite komplizierte Fall Burmesters betraf einen 32-jährigen Barmann mit heftigsten Gelenkschmerzen in verschiedenen Skelettregionen, insbesondere der Schädelkalotte. Mit Verdacht auf ein eosinophiles Granulom wurde er in die Neurochirurgie der Charité verlegt. Dort erfolgte eine operative Resektion mittels Kraniotomie und Palacos-Plastik. Da die Kopfschmerzen des Mannes nicht besser wurden, kam er in die Neurologie. Ein Szintigramm ergab multifokale osteolytische Läsionen. Er erhielt Schmerzmittel und um die Ätiologie zu suchen, brachte man ihn in die Hämatologie. Die Spezialisten dort befundeten aus der Patho-Histologie der Kalottenteilresektion eine Osteomyelitis, keine Eosinophilie. Die Patho-Histologie einer Rippen-Resektion ergab schließlich eine chronisch fibrosierende und akute Entzündung ohne Tumornachweis. Das infektiologische Konsil ergab schließlich einen hochgradigen CRMO / SAPHO – also eine nicht-eitrige entzündliche Knochenmarkerkrankung.
Nach seiner Odyssee durch die Charité landete der Patient wieder in der Rheumatologie. Und hier stellt man endlich die richtige Diagnose: Der Barmann litt an einer Syphilis.
Sein erstes Beispiel war eine 80-jährige Patientin mit bekannter und angeblich gutkontrollierter rheumatoider Arthritis. Seit Monaten litFdltt sie unter einer anhaltenden Schwellung der Schultergelenke mit starken Schmerzen und hochgradiger Bewegungseinschränkung. In der Arthrosonographie sah man beidseits einen großen Erguss, eine komplette Ruptur der Rotatorenmanschette, des M deltoideus und der langen Bicepssehne. Außerdem eine massive Bursitis subdeltoideus und schwere Destruktionen der Humerosköpfe.
Die Diagnose lautete: Milwaukee-Schulter. Sie entsteht durch Ablagerungen von Hydroxylapatit-Kristallen und tritt typischerweise bei älteren Frauen auf. Der Nachweis der Kristalle gestaltet sich oft schwierig, da sie lichtmikroskopisch nicht sichtbar sind. Auch die Therapie ist schwierig. Sie erfolgt mittels Schmerztherapie, Injektionen und evtl. einer TEP.
Das zweite Beispiel Krauses bezog sich auf eine 45-jährige RA-Patientin mit Arthritiden an Finger-, Knie- und Fußgelenken. Sie stand unter einer Basistherapie von MTX 15mg pro Woche oral, die auf 20 mg/Woche und Folsäure 10 mg/Woche erhöht wurde. Da noch immer keine Remission erfolgte, stellte man sie auf Leflunomid 20mg/Tag um. Das ging zunächst gut, doch während eines Urlaubs in Polen nahmen die Arthralgien wieder zu. Ein Harnwegsinfekt wurde mit Furaginum behandelt. Erhöhte Leber- und Entzündungswerte besserten sich spontan nach einer LEF-Pause. Eine genaue Laboruntersuchung ergab für Anti-HEV-IgM und Anti-HEV IgG einen positiven Befund und damit auch die Diagnose einer Hepatits E-Infektion.
Das Hepatits E-Virus ist in vielen tropischen Ländern endemisch, in Industrienationen wird es vor allem durch Schweine übertragen. Die Klinik ähnelt der Hepatitis A und verläuft meist harmlos. Es gibt aber auch fulminante Erkrankungen, die durch Leberversagen letal enden können. Bei immunsupprimierten Patienten kommen chronische Verläufe vor, bei denen sich rasch eine Leberzirrhose entwickeln kann. Die Therapie erfolgt, falls nötig, mit Ribavirin. Eine Impfung, so Krause, sei in Arbeit.
Rheumapatienten leiden oft unter Darmbeschwerden, Crohn-Patienten unter Gelenkschmerzen. Deshalb stellten im letzten Vortrag der Rheumatologe Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner aus Bad Nauheim und der Gastroenterologe Prof. Dr. Robert Ehehalt aus Heidelberg gemeinsam interdisziplinäre Fälle vor.
Spannend war der Fall eines 35-jährigen, bisher immer gesunden Patienten, der an einem grippalen Infekt mit 39 Grad Fieber und einer Pharyngitis erkrankte. Eine Woche später stiegen seine Leber- und Entzündungswerte massiv an: GOT auf 200, GPT auf 150 und CRP auf 50mg/l. Zwei Wochen später litt er an blutig-wässrigen Durchfällen. Nach weiteren vier Wochen kam er notfallmäßig in die Rheumatologie wegen "Gelenkbeschwerden der kompletten linken Körperhälfte" - einer Cubitalarthritis links.
Im Nachbefund war HLA B27 positiv, die restliche Immunologie unauffällig. Der Patient erhielt einen Steroidstoß und 3x600 mg Ibuprofen, worauf sich die Schmerzen deutlich besserten und sich der CRP auf 5mg/l verringerte. Nach vier Wochen erhielt der Mann 2x200 mg Celecoxib aufgrund der persistierenden Leberwerterhöhung. Zusätzlich klagte er morgens an tiefsitzenden Kreuzschmerzen, die Cubitalarthritis aber befand sich in Remission. Im weiteren Verlauf verschwanden die blutigen Diarrhoen, die Gastroskopie war unauffällig; in der Koloskopie sah man eine unspezifische fleckige Rötung des gesamten Colonrahmens. Seine Gelenkbeschwerden nahmen wieder zu, daher wurde der Patient nach vier Wochen erneut stationär aufgenommen.
Bei einer Laboruntersuchung fand man schließlich Yersinien-Bakterien und ihre Antikörper. Nun war die Diagnose klar: HLA B27 positive reaktive Arthritis auf dem Boden einer Yersinieninfektion. Yersinien lauern vor allem in blutigen Steaks und unzureichend gegartem Schweinefleisch. Möglich ist die Infektion auch über verunreinigtes Wasser, Milchprodukte, Gemüse und Salate. In den meisten Fällen klingen die Beschwerden nach ein bis vier Monaten wieder ab.
Weitere Kongressberichterstattung vom 45. DGRh Kongress finden Sie im esanum Wissensarchiv.