Unerwünschte Ereignisse führen bei 10% der behandelten Patienten mit Erdnussallergie zu einem Therapieabbruch.
Trotz Hyposensibilisierung muss weiterhin auf eine erdnussfreie Ernährung geachtet werden und eine Notfallmedikation für mögliche anaphylaktische Reaktionen mitgeführt werden.
Möglicherweise muss die Behandlung mit AR101 auf Dauer erfolgen.
Nach derzeitigem Wissensstand profitieren die Betroffenen dieser Allergie nicht von einer oralen Immuntherapie mit AR101.
Die Erdnussallergie gehört zu den häufigsten Nahrungsmittelallergien bei Kindern und ist für die Patienten äußerst belastend. Bereits geringe Mengen des Nahrungsmittels können schwere allergische Reaktionen auslösen, die im Extremfall lebensgefährlich sind. Eine wirksame Therapie, die das Risiko für schwere Verläufe senkt und die allergischen Symptome abschwächt, wäre ein medizinischer Meilenstein.
Lange war die einzige Option eine erdnussvermeidende Diät und für Notfälle einen Adrenalin-Pen griffbereit zu haben. Seit 2020 gibt es aber eine Alternative. Die aus Erdnuss-Protein hergestellte Substanz AR101 (Medikament Palforzia®) kann Kindern und Jugendlichen ab dem vierten Lebensjahr oral zur spezifischen Immuntherapie verabreicht werden und soll bei versehentlicher Erdnussexposition im Alltag die Überempfindlichkeitsreaktion mindern und es den Patienten ermöglichen kleinere Mengen Erdnuss zu konsumieren. Allerdings muss trotz der Hyposensibilisierung weiterhin strikt auf eine erdnussfreie Ernährung geachtet werden.
Inwieweit dieses Behandlungskonzept einen Vorteil für Kinder mit dieser Allergie gegenüber dem Standardprozedere bietet, wurde vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht.
Die frühe Nutzenbewertung beruht auf einer Metaanalyse zweier Zulassungsstudien des Herstellers. In den PALISADE-Studien wurde AR101 unter ärztlicher Aufsicht mit einem Placebo verglichen. Jede an den Studien teilnehmende Person (Kinder und Jugendliche) musste sich an eine erdnussvermeidende Diät halten, unabhängig davon, ob sie der AR101-Kohorte oder der Kontrollgruppe zugeteilt war. Im Falle einer allergischen Reaktion kamen Antihistaminika oder Adrenalin zum Einsatz.
Folgende Ergebnisse der Studien wurden vom IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung kritisch beurteilt:
Bezüglich der allergischen Reaktion nach einer versehentlichen Allergen-Exposition zeigte sich bei den patientenrelevanten Endpunkten kein signifikanter Unterschied durch die Einnahme des Erdnuss-Pulvers. Allergische Reaktionen traten sogar häufiger auf als in der Placebo-Gruppe.
Unter AR101 kam es häufiger zu Behandlungsabbrüchen und unerwünschten Ereignissen (10% der Individuen mit Allergie beendeten die Hyposensibilisierung vorzeitig aus Sorge um einen höheren Schaden). Zu den Begleiterscheinungen zählten Juckreiz und Parästhesien im Mundraum, Bauchschmerzen, Engegefühl im Halsbereich und Beschwerden der Ohren und des Labyrinthsystems.
Hinsichtlich schwerwiegender Nebenwirkungen und allergischer Reaktionen zeigte sich kein Vorteil durch die Anwendung von AR101.
Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass sich durch die Hyposensibilisierung die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen während der oralen Therapie oder im Alltag danach verbesserte, da sie nur einmal am Studienende zu diesem Thema befragt worden sind.
Gemäß der Beurteilung des IQWiG überwiegen die Nachteile der Behandlung mit AR101 (Handelsname: Palforzia®). Aufgrund der aktuellen Evidenz profitieren Personen, die an einer Erdnuss-Allergie leiden, nicht von der Hyposensibilisierung. Die Betroffenen müssen trotz der Therapie weiterhin das Allergen meiden und die Dosis eines Stand-by-Arzneimittels für den Fall einer Exposition bei sich tragen. Darüber hinaus ist derzeit unklar, wie lange genau die Immuntherapie fortgeführt werden muss; eventuell ist sogar eine dauerhafte Einnahme notwendig. Des Weiteren sind in den Zulassungsstudien keine Nachbeobachtungsdaten erfasst worden. Doch diese weiteren Informationen könnten helfen, mehr über den langfristigen Nutzen der Therapie zu erfahren und offene Fragen, wie etwa die nach der optimalen Behandlungsdauer, zu beantworten.
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