Frauen mit Typ-2-Diabetes erhalten selbst im Rahmen klinischer Studien offensichtlich weniger kardioprotektive Medikamente zur Kontrolle von Blutfetten und Lipiden als Männer. Trotzdem scheinen sie in den Folgejahren besser vor kardiovaskulären Ereignissen geschützt, wie eine Post-hoc-Analyse der REWIND-Studie gezeigt hat.
Hypertonie und Dyslipidämie sind sehr häufige Begleiter eines Typ-2-Diabetes. Bei Diabetiker:innen beiderlei Geschlechts beobachtet man gleichermaßen ein erhöhtes Risiko für KHK, Schlaganfall und Tod. In allen Leitlinien wird daher dringend dazu geraten, gerade bei Menschen mit Diabetes zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren gut zu kontrollieren.
Allerdings scheint das selbst in einem Studien-Setting nicht immer perfekt zu funktionieren. In der REWIND-Studie sollte primär untersucht werden, welche Auswirkungen die wöchentliche Gabe des GLP-1-Rezeptor-Agonisten Dulaglutid bei Patienten mit Typ-2-Diabetes auf kardiovaskuläre Ereignisse hat. Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei 5,4 Jahren.
Bei den 9.901 erwachsenen Teilnehmenden mit kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Risikofaktoren (46% Frauen, im Mittel 66 Jahre alt) sollte eigentlich sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Behandlung von Komorbiditäten leitliniengerecht erfolgt. Hierbei zeigte sich allerdings eine gewisse Benachteiligung von Frauen, wie eine von Giulia Ferrannini vom Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden, auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellte Post-Hoc-Analyse gezeigt hat. Schon zu Studienbeginn hatten nur 73% der Frauen ein eigentlich indiziertes Statin verordnet bekommen, dagegen 81% der Männer. Auch einen RAAS-Blocker (ACE-Hemmer oder Sartan) erhielten die Frauen seltener als Männer (80 vs. 83%), ebenso wie ASS (44 vs. 58%). Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren auch nach zweijähriger Studiendauer noch nachweisbar.
Diese Ungleichbehandlung sollte eigentlich mit einer erhöhten Rate an kardiovaskulären Ereignissen einhergehen – zumal die Frauen überwiegend postmenopausal waren. Dies war aber nicht der Fall. Frauen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen (80%) erlitten zu einem Drittel seltener einen Herzinfarkt als Männer (2,1% vs. 3,3%) und es wurden im Beobachtungszeitraum deutlich weniger Todesfälle beobachtet (4,9 vs. 8,1). Lediglich Schlaganfälle traten bei den Frauen etwas häufiger auf (3,9 vs. 2,7%). Für den Gesamt-Endpunkt MACE ("major adverse cardiac events") errechneten die Autoren eine Hazard Ratio (HR) von 0,77 – also ein 23% geringeres Risiko trotz schlechterer Behandlung.
Auch die 20% der Frauen mit relevanten kardiovaskulären Erkrankungen in der Vorgeschichte hatten noch bessere Karten als die Männer. Hier fiel vor allem ein geringeres Herzinfarktrisiko ins Gewicht (5,5 vs. 9,2%) – bei der Mortalität, Schlaganfallrate und der Häufigkeit von Hospitalisierungen aufgrund einer Herzinsuffizienz waren die Unterschiede gering. Insgesamt ergab sich in dieser Gruppe eine 36-prozentige Risikoreduktion für MACE im Vergleich zu den Männern.
Die Studie wirft einige Fragen auf, die in weiteren Untersuchungen abgeklärt werden sollten. So wären die Gründe für die Unterversorgung der Frauen interessant – eine Unterversorgung, die wahrscheinlich außerhalb von Studien eher noch größer ist. Auch den möglichen Mechanismen hinter der Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei den überwiegend postmenopausalen Frauen sollte in weiteren genderspezifischen Studien nachgegangen werden.
Quellen:
1. G. Ferrannini et al; Gender differences in cardiovascular risk, treatment, and outcomes: a post-hoc analysis from the REWIND trial; Abstract Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) (2021)
https://easddistribute.m-anage.com/from.storage?image=gOIMdpw6-DbPpKIQZ5HFcEkb7WLzh96JuAEM8VdeX5_a4O17GikhkZ_WgNi5g3oIkMDmX4x45nbAEq2iFeIxNw2
2. Women with diabetes less likely to receive comprehensive cardiovascular prevention than men, international study finds
EurekAlert (Pressemitteilung EASD) https://www.eurekalert.org/news-releases/929417