Der Studienverlauf erstreckte sich über zwei Jahre. Durchgeführt wurde die Untersuchung in urbanen Gegenden in acht repräsentativen Ländern:
Wichtig war den Forschern, dass jeder, der eine Rolle im Leben einer jungen Familie spielt, zu Wort kam und über die eigene Erfahrung mit Muttermilchersatzprodukten sowie deren Marketing berichten konnte: Ärzte, Mütter, Väter, Familien und Freunde.
Im modernen Zeitalter ist jeder ein Ziel von individualisiertem Marketing. Durch soziale Medien oder das Surfen im Internet werden Daten gesammelt, die dann von Firmen zur Bewerbung von spezifischen Produkten herangezogen werden. Auch Flaschennahrung für Säuglinge wird auf diese Weise beworben. So erhalten Schwangere häufig kostenlose Produktproben von Muttermilchersatzprodukten oder Coupons, die die Kosten deutlich reduzieren. Die WHO stuft diese Entwicklung als alarmierend ein, da die Werbeaussagen inkorrekt sind und so das Kindeswohl sowie die Gesundheit der Mutter gefährden.
Muttermilchersatzprodukte werden in der Regel als der Muttermilch gleichwertig oder gar ihr überlegen dargestellt. Dies ist wissenschaftlich nicht korrekt, da nachgewiesen wurde, dass viele Eigenschaften, die die Muttermilch hat, nicht künstlich hergestellt werden können. Die Aussagen, dass Flaschennahrung dem Stillen gleichkommt oder sogar Vorteile bietet, bedient Unsicherheiten von jungen Müttern, die sich dann gegebenenfalls gegen das Stillen entscheiden. Auch der Wunsch, das Beste für das eigene Kind zu wollen, spielt den Herstellern in die Hände. Es ist wichtig, hier deutlich zu machen, dass die WHO nicht das Produkt der Flaschennahrung kritisiert – schließlich gibt es Fälle, in denen Stillen einfach nicht möglich ist – sondern die Marketingstrategien der Industrie.
Doch nicht nur Mütter und Familien sind Ziel der Strategien. Auch Medizinerinnen und Mediziner werden speziell ins Visier genommen, da sie Entscheidungen von jungen Eltern stark beeinflussen können. Oft geschieht diese Beeinflussung sogar ganz unbewusst. Die Auswirkungen sind in jedem Fall beträchtlich: Die WHO geht davon aus, dass durch die Bevorzugung von Flaschennahrung gegenüber Muttermilch pro Jahr etwa 800.000 Kinder unter fünf Jahren sterben sowie 20.000 Mütter einer Brustkrebserkrankung erliegen. Laut der Organisation könnten diese Todesfälle vermieden werden, wenn sich wieder mehr Mütter für das Stillen entscheiden.
Ziel der WHO ist es, die irreführende Werbung und gezieltes Marketing zu minimieren. Laut den Experten ist hierzu ein gemeinschaftlicher Konsens vonnöten, der sich auf Regierungen, Ärzteschaften und die Gesellschaft allgemein stützt. Familien sollen laut der Organisation mehr gefördert werden und Mutterschutz in allen Ländern verfügbar sein. Wie realistisch das ist? Unklar. Immerhin steckt hinter der Werbung eine milliardenschwere Industrie.
Die gezielte und wissenschaftlich falsche Werbung für Muttermilchersatzprodukte trifft Familien oftmals, wenn sie am vulnerabelsten sind – in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt. Medizinerinnen und Mediziner sollten den Still-Wunsch der Mutter bestärken und sie darin unterstützen. Zusätzlich ist eine Aufklärung über die Vorteile von Muttermilch während und nach der Schwangerschaft unabdingbar. Es ist jedoch wichtig klarzustellen, dass nicht das Produkt der Flaschennahrung an sich schlecht ist, sondern lediglich die Art und Weise es zu vermarkten, kritisiert wird.
Quelle:
Maternal, Newborn, Child and Adolescent Health and Ageing Department (who.int)