- Weber L et al. Lifestyle im Management chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen – Teil 1: Ernährung. Gastroenterologie 2023; 18: 255–269; https://doi.org/10.1007/s11377-023-00704-4
Dass Darmerkrankungen durch die Ernährung maßgeblich beeinflusst werden, leuchtet unmittelbar ein. Dennoch wird diese bei der Therapie von CED oft noch zu wenig beachtet. Das mag auch an der Komplexität des Themas liegen.
Es fängt mit der Heterogenität der Krankheitsbilder an. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa unterscheiden sich hinsichtlich Lokalisation, Entzündungsmuster und Symptomatik maßgeblich voneinander. Hinzu kommen verschiedene Krankheitsaktivitäten mit einem Wechsel aus stabilen Phasen und Entzündungsschüben. Und schließlich ist der Ernährungszustand bei jedem Patienten anders.
Eine Ernährungstherapie bei CED beginnt daher mit einer Bestandsaufnahme.
Die Erfassung des Ernährungszustands und des individuellen Erkrankungs- und Risikoprofils beginnt mit einer ausführlichen Ernährungsanamnese. In einem Verzehrprotokoll kann die Nährstoffaufnahme hinsichtlich Lebensmittelquantität und -qualität erfasst werden. Hilfreich sind außerdem validierte Fragebögen wie das Nutritional Risk Screening (NRS 2002) und das Malnutrition Universal Screening Tool (MUST).
Das Gewicht wird üblicherweise mithilfe des Body-Mass-Index (BMI) bestimmt. Ab einem BMI ≥ 25 kg/m2 sollte zusätzlich der Taillenumfang gemessen werden, der Rückschlüsse auf die Körperfettverteilung zulässt. Um eine sogenannte sarkopenische Adipositas, die gerade bei CED-Patienten häufig vorkommt, nicht zu übersehen, empfiehlt sich darüber hinaus die Bestimmung von Muskelkraft und -funktion. Das gelingt mit einfachen Mitteln wie dem „chair stand test“ oder einem Dynamometer.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Ernährungsformen untersucht, die einen positiven und antientzündlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben. Allen voran: die mediterrane Ernährung (ME) mit einer ausgewogenen, pflanzenbetonten Nahrungszusammenstellung. Sie gilt allgemein als gesund, hat jedoch auch speziell bei CED-Patienten eine nachgewiesen positive Wirkung auf Darmschleimhaut und Mikrobiota.
Daneben wurden zahlreiche weitere Ernährungsformen evaluiert, die sich jedoch nur geringfügig von der Mittelmeerkost unterscheiden. Bei der spezifischen Kohlenhydratdiät (SCD) etwa werden komplexe Kohlenhydrate aus Getreide (Weizen, Gerste), Mais und Reis gemieden. Die Inflammatory Bowel Disease Anti-Inflammatory Diet (IBD-AID) setzt auf ein 4-Stufen-Konzept, bei dem die Lebensmittel anfangs sehr weichgekocht und/oder püriert werden. Bei der „Groningen anti-inflammatory diet“ (GrAID) ist im Gegensatz zur ME der Genuss von Rotwein auch in geringen Mengen nicht erlaubt.
Ansonsten orientiert sich die Ernährung am individuellen Zustand und Krankheitsverlauf. Im akuten Schub kann kurzfristig eine enterale Ernährungstherapie notwendig sein. Bei einem Nährstoffmangel werden entsprechende Supplemente eingesetzt, bei einer Sarkopenie die Proteinzufuhr erhöht. Auch Komplikationen müssen berücksichtigt werden. So sollten bei Stenosen möglichst wenig unlösliche Ballaststoffe aufgenommen werden.
Die Ernährungstherapie bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist komplex und muss individuell abgestimmt werden. Allerdings lassen sich Verlauf und Symptomatik mit der richtigen Ernährung entscheidend beeinflussen – ein guter Anreiz für alle behandelnden Ärzte und ihre Patienten.