Ernährung bei chronischen gastrointestinalen Erkrankungen

Ein Forschungsteam aus den Bereichen Gastroenterologie und Pathologie hat die momentanen Diät-Vorgaben bei chronischen gastroenterologischen Erkrankungen einem Review unterzogen und den aktuellen Wissensstand zu Empfehlungen verdichtet.

Aktuelle Neubewertung diverser Diätformen

GastroenterologInnen und PathologInnen der Katholischen Universität Rom haben die momentanen Diät-Vorgaben bei chronischen gastroenterologischen Erkrankungen einem Review unterzogen und den aktuellen Wissensstand zu Empfehlungen verdichtet.1

Als Grundlage der Wirksamkeit von Diäten werden die Beeinflussung von Mikrobiom sowie Immunsystem und Entzündungsprozessen durch die Ernährung angesehen. Veränderungen von Nahrungszusammensetzung, -menge und -frequenz bieten teils erhebliches therapeutisches Potenzial.

Reizdarmsyndrom (Irritable Bowel Syndrome, IBS)

Unter den zahlreichen historischen und aktuellen Ernährungsempfehlungen beim Reizdarmsyndrom hat sich in den letzten Jahren die sogenannte low-FODMAP-Diät als besonders wirksam erwiesen. Rund zwei Drittel der so behandelten Reizdarm-PatientInnen zeigen innerhalb von ein bis zwei Wochen ein Ansprechen auf die Diät. Unter anderem bessern sich Bauchschmerzen, Flatulenzen und Diarrhöen hochsignifikant.

Bedauerlicherweise ist die low-FODMAP-Ernährung relativ kompliziert und konkret mit der Gefahr von Fehlernährung verbunden. Sie sollte deshalb nur unter Patienten-Anleitung durch einschlägig erfahrene ErnährungsberaterInnen durchgeführt werden.

Chronische Verstopfung

Wenig überraschend sind die Ergebnisse der Fachleute hinsichtlich der chronischen Obstipation. Therapeutisch sind Ballaststoffe und eventuell eine Erhöhung der täglichen Trinkmenge in der Regel die Mittel der Wahl. 

In einer Vergleichsstudie von sechs randomisiert kontrollierten Untersuchungen wurde die Wirkung der Gabe von 10 g/d löslichen Fasern erfasst, die zumeist als Wegerich-Bestandteile (Flohsamenschalen, Psyllium) verabreicht wurden.2 Allgemeine Beschwerden sanken bei den Testpersonen von 86,5% auf 47,4%, Spannungen im Bauchraum von 55,6% auf 28,6%. Ebenfalls besserten sich Schmerzen bei der Defäkation und die Stuhlkonsistenz. Außerdem erhöhte sich die Stuhlfrequenz von 2,9 auf 3,8 Stühle pro Woche.

Dyspepsie

Verdauungsstörungen betreffen bis zu 20% der Bevölkerung in westlich geprägten Staaten. Beschwerden wie Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Blähungen, Aufstoßen und andere scheinen im Zusammenhang mit Grundeigenschaften der Ernährung zu stehen wie etwa dem Energiegehalt und Volumen der Nahrung sowie der Häufigkeit von Mahlzeiten. Hinzu treten psychologische Faktoren wie etwa Nahrungsmittelaversionen. Das Auftreten einer duodenalen Eosinophilie verweist darauf, dass eine gestörte Schleimhautimmunität und Lebensmittelantigene ursächlich an den Beschwerden beteiligt sein könnten, von denen Gluten nur das bekannteste ist.

Ähnlich unscharf wie die Ursachen der Dyspepsie bleiben entsprechend auch die empfohlenen diätetischen Maßnahmen zur Behandlung. Kleinere und häufigere Mahlzeiten mit reduziertem Fettgehalt gelten als bester Ansatz für die Beschwerdebesserung.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD)

Die Suche nach symptom- oder verlaufsbeeinflussenden Ernährungsfaktoren bei M. Crohn und Colitis ulcerosa ist so alt wie die Erstbeschreibung der Krankheitsbilder. Unzweifelhaft ist, dass sich das Mikrobiom der Betroffenen stark von dem der gesunden Bevölkerung unterscheidet. Verschiedene Nahrungsbestandteile beeinflussen das Krankheitsgeschehen bei IBD.

Tierisches Eiweiß

Hintergrund der Vermutung, dass der Verzehr tierischen Eiweißes den Verlauf von IBD negativ beeinflussen kann, ist die Malabsorption von Häm und Aminosäuren aus tierischen Proteinen im Dünndarm. Im Kolon werden diese dann von der Mikroflora zu teils toxischen Substanzen verstoffwechselt, die ihrerseits zu einer Abnahme von „entzündungshemmenden“ Bakterien im Mikrobiom wie Roseburia und Eubacterium rectale führen.

Tierische Fette

Eine Ernährung, die reich an tierischen Fetten ist, führt zur vermehrten Aufnahme von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) und fördert sowohl eine Dysbiose als auch Entzündungsprozesse im Darm. Eine fettarme und insbesondere PUFA-arme Ernährung wird daher allen IBD-PatientInnen empfohlen. Diese Diät führt zu einem Rückgang von Entzündungsmarkern und Dysbiose und wird daher empfohlen.3

Ballaststoffe

Ballaststoffe scheinen der Entwicklung von IBD entgegenzuwirken, indem sie eine Dysbiose und Entzündungsprozesse in der Darmschleimhaut verhindern. Andererseits können sie während Krankheitsschüben gastrointestinale Beschwerden auch verstärken. Aus diesem Grund wird empfohlen, PatientInnen während der Remission mit einer Diät zu versorgen, die einen begrenzten Anteil an Ballaststoffen enthält. Als geeignete Nahrungsmittel haben sich dafür u. a. Karotten, Zucchini und Auberginen erwiesen.

Vitamine und Mikronährstoffe

Ein Mineralien- (vor allem Eisen und Zink) und Vitaminmangel ist aufgrund des chronischen Entzündungsgeschehens bei vielen IBD-PatientInnen zu beobachten und sollte supplementiert werden. Möglicherweise wirken orales Vitamin A und D anti-inflammatorisch und abwehrstärkend.

Exclusive Enteral Nutrition (EEN)

Die EEN basiert auf der Gabe einer polymeren Formula-Diät über sechs bis acht Wochen. Sie ist die   wichtigste Behandlungsmethode, um bei pädiatrischen IBD-PatientInnen den Ernährungsstatus zu verbessern. Ihr Effekt hinsichtlich der Einleitung einer Remission wurde in einer Metastudie als vergleichbar mit der Gabe von Kortikosteroiden bewertet.4 In neuesten pädiatrischen Leitlinien wird sie der Steroidtherapie vorgezogen.5 Der Einsatz der EEN auch bei erwachsenen PatientInnen wird derzeit vermehrt untersucht.

Weitere Diät-Formen wie die CD-TREAT6 und die CDED7 haben bei Crohn-PatientInnen erste überzeugende Ergebnisse geliefert und werden weiter erforscht. Auch die vom Reizdarmsyndrom bekannte low-FODMAP-Diät scheint Beschwerden lindern zu können, ebenso wie die bekannte "Mittelmeerdiät".

Eosinophile Ösophagitis (EoE)

Die EoE ist eine Erkrankung mit noch unbekannter Ursache, die oft mit Nahrungsmittelallergien assoziiert ist. Zur Behandlung werden derzeit entweder aminosäuren-basierte Elementardiäten oder Ausschlussdiäten eingesetzt. In einer Metastudie haben sich Elementardiäten in 90,8% der Fälle als wirksam und damit als der Six-Food Elimination Diet (SFED) mit einer Effektivität von 72,1% und spezifischen allergen-basierten Eliminationsdiäten mit 45,5% als überlegen erwiesen. Allerdings wurden Elementardiäten von den PatientInnen aufgrund der erheblichen Einschränkungen  weniger akzeptiert, sodass Diätformen wie die SFED gangbare Mittelwege darstellen können.8

Referenzen:
1. Corsello A, et el. Diet and Nutrients in Gastrointestinal Chronic Diseases. Nutrients 2020; 12: 2693; doi:10.3390/nu12092693. https://www.mdpi.com/2072-6643/12/9/2693/pdf
2. Suares NC, Ford AC. Systematic review: The effects of fibre in the management of chronic idiopathic constipation. Aliment. Pharmacol. Ther. 2011, 33, 895–901. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2036.2011.04602.x
3. Comeche  J, et al. Enteral nutrition in patients with inflammatory bowel disease. Systematic review, meta-analysis, and meta-regression. Nutrients 2019; 11: 2657. https://www.mdpi.com/2072-6643/11/11/2657
4. Nahidi L, et al. Differential effects of nutritional and non-nutritional therapies on intestinal barrier function in an in vitro model. J. Gastroenterol. 2012; 47: 107–117. https://link.springer.com/article/10.1007/s00535-011-0471-1
5. Miele E, et al. Nutrition in Pediatric Inflammatory Bowel Disease: A Position Paper on Behalf of the Porto Inflammatory Bowel Disease Group of the European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 2018, 66, 687–708. https://journals.lww.com/jpgn/Fulltext/2018/04000/Nutrition_in_Pediatric_Inflammatory_Bowel_Disease_.28.aspx
6. Gkikas K, et al. DietaryStrategiesforMaintenance of Clinical Remission in Inflammatory Bowel Diseases: Are We There Yet? Nutrients 2020, 12, 2018. https://www.mdpi.com/2072-6643/12/7/2018
7. Sigall Boneh R, et al. Dietary Therapy With the Crohn’s Disease Exclusion Diet is a Successful Strategy for Induction of Remission in Children and Adults Failing Biological Therapy. J. Crohn’s Colitis 2017, 11, 1205–1212. https://academic.oup.com/ecco-jcc/article/11/10/1205/3835921