Warum obere Atemwegsinfekte bei Kälte häufiger sind
Viren zirkulieren das ganze Jahr über. Dass es in der kalten Jahreszeit mehr Erkältete gibt, hat nicht nur etwas mit dem vermehrten Aufenthalt in Innenräumen zu tun – sondern mit der Temperatur in unserer Nase.
Warum sind Erkältungen bei niedrigen Temperaturen häufiger?
- Eine kürzlich im Journal of Allergy and Clinical Immunology erschienene Studie liefert eine direkte quantitative mechanistische Erklärung für die saisonalen Schwankungen der Prävalenz von Infektionen der oberen Atemwege
- Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Temperatur und Luftfeuchtigkeit unabhängig voneinander oder gemeinsam die Anfälligkeit gegenüber Virusinfektionen der Atemwege beeinflussen
- Kälteexposition vermindert die durch extrazelluläre Vesikel vermittelte nasale antivirale Immunität
Kälte hemmt die virale Abwehr in der Nase
Die Nase ist oft Eintrittspforte für Erreger. An diesem ersten Kontaktpunkt werden zahlreiche wichtige Immunreaktionen zu deren Abwehr in Gang gesetzt. Eine davon besteht in der Freisetzung von Schwärmen extrazellulärer Vesikel (EVs) aus den Epithelzellen der Nase in den Schleim. Diese EVs enthalten verschiedene antimikrobiell und immunmodulatorisch wirksame Substanzen. Hierbei von besonderer Bedeutung ist die Abgabe von antiviralen Wirkstoffen, wie z.B. microRNAs, an benachbarte oder entfernte Empfängerzellen. EVs können zudem auch eine direkte Neutralisierung von Virionen bewirken, indem sie diese mit ihren Oberflächenrezeptoren "wegfangen" und damit deren Bindung an die Epithelzellen verhindern.
Eine neue Studie konnte nachweisen, dass diese heftigen unspezifischen Abwehrreaktionen durch niedrigere Temperaturen in der Nase stark reduziert werden, und zwar speziell die EV-Schwarmreaktion auf Kontakt mit Viren, die über einen anderen Signalweg (TLR3-vermittelt) ausgelöst wird als beim Einatmen von Bakterien.
Hierzu wurden gesunde Versuchspersonen 15 Minuten lang Temperaturen von rund 4 Grad Celsius bei 90% Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Die endoskopisch gemessene Innentemperatur in der Nasenhöhle sank dadurch um durchschnittlich 5°C. Die abgekühlten Nasenzellen setzten unter diesen Bedingungen 42% weniger EVs frei als bei wärmerer Temperatur und mittlerer Luftfeuchte (23°C und 57%). Die einzelnen EVs zeigten bei Kälte zudem eine verringerte miRNA-Einlagerung sowie eine geringere antivirale Bindungsaffinität.
Fazit für die Praxis
An der eingangs zitierten Redensart könnte also mehr dran sein als gedacht. Halten Sie Ihre Nase im Winter warm. Ein Temperaturabfall von nur 5 Grad Celsius in der Nase scheint die lokale Immunreaktion herabzusetzen, was die Häufung von Erkrankungen in der kalten Jahreszeit mit erklären könnte.
Auf Basis der Erkenntnisse der Studie könnten, so hoffen die Forscher, zum einen neue Therapien für Virusinfektionen der Atemwege entwickelt werden – zum Beispiel ein Nasenspray, welches die EV-Menge in der Nase steigert oder die Zahl der Bindungsrezeptoren an den Vesikeln erhöht – und zum anderen potenzielle unerwünschte Wirkungen antiviraler Wirkstoffe verringert werden.
- @NatGeoDeutschland. Überraschende Studie: Warum wir im Winter öfter erkältet sind. National Geographic https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2022/12/ueberraschende-studie-warum-wir-im-winter-oefter-erkaeltet-sind-grippe-virus (2022).
- Huang, D. et al. Cold exposure impairs extracellular vesicle swarm–mediated nasal antiviral immunity. Journal of Allergy and Clinical Immunology 0, (2022).
letzter Zugriff auf Websites: 20.1.23