- Schluessel, S et al. Hypogonadism is frequent in very old men with multimorbidity and is associated with anemia and sarcopenia. Z Gerontol Geriat 57, 43–49 (2024). https://doi.org/10.1007/s00391-023-02235-7
Mit dem Alter lassen naturgemäß zahlreiche Körperfunktionen nach, darunter auch das endokrine System. Vor allem bei sehr alten, multimorbiden Menschen ist ein Hypogonadismus häufig.
Testosteron spielt nicht nur für die männliche Sexualfunktion eine wichtige Rolle, sondern fördert auch den Muskelaufbau, die Knochenmineralisierung und die Erythropoese. Bekannt ist außerdem, dass es einen Zusammenhang zwischen Hypogonadismus und einer hohen Sterblichkeitsrate bei geriatrischen Patienten gibt.
Wie genau sich das Hormondefizit klinisch manifestiert, hat ein Forscherteam von der LMU München untersucht. Für ihre Querschnittsstudie rekrutierten sie 167 Männer im Alter von 65–96 Jahren (Mittelwert 81 ± 7 Jahre) aus einer Akutgeriatrie, die durchschnittlich 8 verschiedene Krankheiten aufwiesen und 11 Medikamente erhielten. Die Wissenschaftler interessierte vor allem der Zusammenhang von Hypogonadismus und Sarkopenie, Osteoporose sowie Anämie. Dazu bestimmten sie u. a. die Körperzusammensetzung, die Knochendichte, die Handkraft und verschiedene Laborwerte.
Bei 62 Prozent der Studienteilnehmer (n = 104) bestand laborchemisch ein Hypogonadismus. Von ihnen zeigten insgesamt 83 Prozent (n = 86) entsprechende klinische Manifestationen:
Im Vergleich zu eugonodalen Patienten wiesen die hypogonadalen eine signifikant geringere Handgriffkraft (25 statt 28 kg) sowie niedrigere Hämoglobinwerte (Mittelwert 11,4 statt 12,2 g/dl) auf. Das relative Risiko einer Anämie in der hypogonadalen Gruppe betrug 2,4 im Vergleich zur eugonadalen Gruppe. Nicht signifikant hingegen waren die Unterschiede bei der Muskelmasse. Dies deckt sich laut den Autoren mit dem Phänomen, dass bei einer Sarkopenie die Muskelkraft und -funktion oft früher beeinträchtigt ist als die Muskelmasse. Ebenfalls nicht signifikant waren die Unterschiede in den T-Werten. Allerdings verweisen die Forscher auf placebokontrollierte Studien, die den Zusammenhang zwischen Testosteronspiegel und Knochendichte nahelegen. So konnte gezeigt werden, dass eine Hormonsubstitution messbare Auswirkungen auf die Mineralisation von Hüfte und Wirbelsäule hat.
Ob eine Testosteronbehandlung in Frage kommt, müsse nach individueller Risikoabwägung entschieden werden. Wichtig ist den Studienautoren vor allem, dafür zu sensibilisieren, welche Folgen ein Hormonmangel im Alter haben kann und bei entsprechenden klinischen Zeichen daran zu denken. Insbesondere eine chronische Anämie bei geriatrischen Patienten bleibt in 30 % der Fälle ätiologisch unklar. Hier könnte es sich lohnen, den Testosteronspiegel zu bestimmen.
Hypogonadismus und Testosteronmangel treten bei geriatrischen Patienten häufig auf und können sich klinisch vielfältig manifestieren. Wenn bei älteren Menschen eine Anämie, Sarkopenie oder Osteoporose diagnostiziert wird, sollten die Testosteronwerte erhoben werden. Mit einer gezielten Hormonsubstitution könnten sich weitere Folgeschäden vermeiden lassen.