Laut der kürzlich veröffentlichten STRENGTH-Studie schützen Präparate mit hochdosierten Omega-3-Fettsäuren nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Erkenntnisse stehen im Widerspruch zur populären REDUCE-IT-Studie, die über einen positiven Effekt berichtete. Auch eine Neuauswertung der STRENGTH-Studie fand keinen Hinweis auf eine kardioprotektive Wirkung. Werden Omega-3-Fettsäuren überschätzt?
Einige Studien legen nahe, dass eine hochdosierte Therapie mit Omega-3-Fettsäuren das kardiovaskuläre Risiko signifikant senken kann. So wurde in der REDUCE-IT-Studie gezeigt, dass die Behandlung mit 4 Gramm Icosapent-Ethyl (EPA) zu einer 25%igen Verringerung von kardiovaskulären Ereignissen führt. Doch neuere Studien kommen zu einem anderen Ergebnis. So wurde in der STRENGTH-Studie kein kardiovaskulärer Vorteil durch ein Kombinations-Präparat mit EPA und Docosahexaensäure (DHA) festgestellt. Mehr noch, es zeigte sich ein leicht erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern. Um diese unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären, werteten die Wissenschaftler:innen der STRENGTH-Studie ihre Daten neu aus. Sie wollten klären, ob ihre EPA-Konzentration nicht hoch genug war oder die Kombination mit DHA möglicherweise negative Effekte hatte.
Die Forschenden analysierten hierfür die Daten von über 10.000 Probanden aus der STRENGTH-Studie, die ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Events aufwiesen. Die eine Hälfte erhielt für ein Jahr lang täglich 4 Gramm EPA und DHA, die andere Hälfte erhielt ein Placebo aus Maiskeimöl. Von allen Patient:innen waren Blutwerte verfügbar, die über die Höhe der EPA- und DHA-Spiegel Auskunft gaben. Im Mittel lagen die EPA- und DHA-Konzentrationen nach einem Jahr Therapie in der Verum-Gruppe bei 89 bzw. 91 µg/ml. Die Forschenden teilten die Probanden nun anhand ihres EPA- und DHA-Werts in drei Terzile ein. Im höchsten Terzil lagen die Konzentrationen beider Omega-3-Fettsäuren bei 151 bzw. 118 µg/ml und damit mehr als 400% bzw. 68% höher im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Das primäre Endpunkt war als eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronarer Revaskularisierung oder instabiler Angina pectoris definiert.
Patient:innen im höchsten EPA-Terzil zeigten nach einem Jahr keinen Unterschied im Auftreten des primären Endpunkts (Eventrate: 11,3 % versus 11,0 % in der Placebogruppe, Hazard Ratio: 0,98, P = 0,81). Patient:innen im höchsten DHA-Terzil wiesen ebenfalls eine vergleichbare Eventrate zur Placebogruppe auf (11,4 % versus 11,0 % in der Placebogruppe, Hazard Ratio: 1,02, P = 0,85). Hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen fanden sich keine relevanten Unterschiede.
Da die EPA/DHA-Konzentration im Blutplasma nicht die Konzentration im Gewebe widerspiegelt, analysierte das Forschungsteam auch die Konzentration beider Fettsäuren in roten Blutkörperchen. Auch hier fanden sich bei Patient:innen mit der höchsten EPA- und DHA-Konzentration keine Unterschiede hinsichtlich des primären Endpunkts im Vergleich zum Placebo.
Diese neue Auswertung der STRENGTH-Studie zeigt, dass die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA in hoher Konzentration nicht vor kardiovaskulären Ereignissen schützen, aber auch nicht schädlich sind. Damit unterscheiden sich die Ergebnisse dieser Neuauswertung der STRENGTH-Studie von der REDUCE-IT-Studie, die eine schützende Wirkung von hochdosiertem EPA in Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko gefunden hat. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in der STRENGTH-Studie ein EPA + DHA Präparat untersucht wurde, also nicht nur EPA allein. Eine weitere Erklärung könnte in dem verwendeten Placebo liegen. In der STRENGTH-Studie wurde Maiskeimöl benutzt, während in der REDUCE-IT-Studie ein Placebo auf Mineralölbasis verwendet wurde. Letzteres wirkt sich negativ auf das Lipidprofil und Entzündungswerte aus und könnte somit im Vergleich ein Verum-Präparat gut dastehen lassen.
Daher kann aktuell nicht abschließend geklärt werden, ob hochdosierte Omega-3-Fettsäuren einen günstigen Effekt auf das Herz-Kreislauf-Risiko besitzen. Weitere Studien sind notwendig, insbesondere solche, die beide Placebos (Maiskeimöl versus Mineralöl) und beide Verum-Produkte (EPA versus EPA/DHA) miteinander vergleichen.
Quelle:
Nissen et al. Association Between Achieved ω-3 Fatty Acid Levels and Major Adverse Cardiovascular Outcomes in Patients With High Cardiovascular Risk. A Secondary Analysis of the STRENGTH Trial. JAMA Cardiol. Published online May 16, 2021.