- Pressemitteilung der ESC, "First ESC Guidelines covering all acute coronary syndromes published today", 25.08.2023
Die Guidelines enthalten Empfehlungen zur Behandlung der instabilen Angina pectoris und allen Arten des Myokardinfarkts.
"Bei akuten Koronarsyndromen ist die Zeit entscheidend. Wenn eine Arterie, die das Herz mit Blut versorgt, verstopft, wird der Herzmuskel umso weniger geschädigt, je schneller wir die Arterie öffnen und den Blutfluss wieder herstellen", so Prof. Robert Byrne, Director of Cardiology und Professor of Cardiovascular Research am Mater Private Network und an der RCSI University, Dublin, Irland.
Schmerzen in der Brust, die länger als 15 Minuten andauern, und/oder innerhalb einer Stunde wiederkehren, sollten ernst genommen werden. In solchen Fällen sollte sofort ein Notruf abgesetzt werden. Weitere Symptome sind Schweißausbrüche, Schmerzen in Schulter oder Arm sowie Verdauungsstörungen.
Herzkrankheiten stellen die häufigste Todesursache bei Frauen und Männern dar. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass akute Koronarsyndrome in erster Linie Männer betreffen. Allerdings sind auch Frauen gefährdet und sollten im Falle von Symptomen sofort medizinische Hilfe suchen. Alarmierenderweise deuten mehrere Studien darauf hin, dass akute Koronarsyndrome bei Frauen zu wenig erkannt und behandelt werden, obwohl Frauen und Männer im Allgemeinen die gleichen Behandlungen erhalten sollten. Dabei ist eine evidenzbasierte Therapie essentiell, so Prof. Borja Ibanez vom National Centre for Cardiovascular Research (CNIC) und der Fundación Jiménez Díaz, University Hospital-CIBERCV, Madrid, Spanien.
Das Herz benötigt eine konstante Blutzufuhr, um normal zu funktionieren. Der Blutfluss kann allerdings plötzlich abnehmen oder stoppen, wenn sich ein Gerinnsel in einer den Herzmuskel versorgenden Arterie bildet, was als akutes Koronarsyndrom klassifiziert wird. Die Subtypen des akuten Koronarsyndroms werden nach Schweregrad der Durchblutungsstörung und ihrer Folgen definiert: Es handelt sich um eine instabile Angina pectoris (wenn keine irreversiblen Schädigung des Herzmuskels auftritt) oder einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) – wenn es zu einem irreversiblen Verlust des Muskels kommt. Beim Myokardinfarkt wird weiter unterschieden zwischen vollständigen und teilweisen Blockaden. Prof. Ibanez betont:
"Eines der Hauptziele dieser Leitlinien ist es, hervorzuheben, dass akute Koronarsyndrome ein ganzes Spektrum von Zuständen umfassen. Einige Patienten haben leichte Symptome, während andere sehr schnell sehr schnell kritisch krank werden. Trotzdem folgt ein Großteil der Behandlung den gleichen Grundsätzen, und dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick."
Die Leitlinien enthalten detaillierte Ratschläge zur Behandlung, unter anderem zu Medikamenten wie Blutverdünnern (Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer). Die meisten Patienten erhalten ein Koronarangiogramm. Wenn darauf zu erkennen ist, dass eine Arterie, die das Herz versorgt, vollständig blockiert ist, sollte in einem spezialisierten Zentrum ein Stent über einen Katheter im Handgelenk eingesetzt werden. Patienten in geographisch abgelegenen Gebieten ohne ein spezialisiertes Zentrum können stattdessen ein intravenöses gerinnselauflösendes Medikament erhalten. Liegt keine vollständige Blockade vor, kommen das Einsetzen eines Stents, eine offene Bypass-Operation oder eine alleinige medikamentöse Therapie in Frage.
Nach einem akuten Koronarsyndrom ist die Langzeitbehandlung von entscheidender Bedeutung, da die Patienten einem erhöhten Risiko für ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis ausgesetzt sind. Die Behandlung umfasst Medikamente wie Thrombozytenaggregationshemmer und eine kontinuierliche Kontrolle des Cholesterinspiegels.
Die Patienten sollten an einem überwachten kardialen Rehabilitationsprogramm teilnehmen, bei dem sie zu einer gesunden Lebensweise ermutigt werden, einschließlich eines höheren Aktivitätsniveaus und einer gesünderen Ernährung, Raucherentwöhnung und gegebenenfalls Maßnahmen zur Bewältigung von psychosozialem Stress. "Dies wird die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens verringern und die Lebensqualität verbessern", so Prof. Byrne. Da einige Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden, ein erhöhtes Risiko haben, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, kann dieses mit zusätzlichen Medikamenten verringert werden.
Außerdem enthalten die Leitlinien einen neuen Abschnitt über die Behandlung von akuten Koronarsyndromen bei Patientinnen und Patienten mit Krebs. Krebskranke haben aufgrund Risikofaktoren wie Rauchen, Krebsart und Behandlung mit Chemo- und Strahlentherapie ein erhöhtes Risiko für akute Koronarsyndrome.
Die Anzahl an Krebserkrankungen nimmt weiter zu, jedoch überleben dank besserer Behandlungsmethoden mehr Patienten mit Krebs, die Haupttodesursache sind Herz-Kreislauferkrankungen. Bei Menschen mit Krebs besteht ein hohes Risiko für Blutungen, und in den Leitlinien heißt es, dies bei Behandlungsentscheidungen zu bedenken. Die Leitlinien empfehlen eine invasive Strategie (z. B. Angiographie und Einsetzen eines Stents) bei Patienten mit Krebs, deren Überlebensdauer auf mindestens 6 Monate geschätzt wird. Eine vorübergehende Unterbrechung der Krebstherapie wird empfohlen, wenn der Verdacht besteht, dass diese eine Ursache eines akuten Koronarsyndroms ist.
Außerdem betonen die Leitlinien, Betroffene aktiv in Therapieentscheidungen mit einzubeziehen. Dabei soll auf individuelle Bedürfnisse und Präferenzen der Patientinnen und Patienten eingegangen werden. Zudem ist selbstverständlich eine Aufklärung über mögliche unerwünschte Ereignisse, die Strahlenbelastung und alternative Optionen zu erbringen.