ESC-Leitlinie Kardiomyopathie 2023: Neues für die Praxis

Die erste gemeinsame europäische Leitlinie zur Kardiomyopathie hat für einigen Wirbel gesorgt. Vor allem die Einführung einer neuen Substanzklasse zur medikamentösen Therapie der HOCM könnte zu einem Paradigmenwechsel führen.

Einteilung von Kardiomyopathien 

Kardiomyopathien werden phänotypisch in folgende 5 Gruppen eingeteilt:

Kardiomyopathie mit Herzinsuffizienz: Einzug von SGLT-2-Inhibitoren 

Alle Patienten mit Kardiomyopathie, die Zeichen einer Herzinsuffizienz zeigen, sollen entsprechend leitliniengerecht behandelt werden. Das bedeutet im Einzelnen:

Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) häufig übersehen

Doch die wohl größte Änderung findet sich beim Management der hypertrophen Kardiomyopathie.

Die HCM ist gekennzeichnet durch eine linksventrikuläre Wanddicke von ≥ 15 mm in irgendeinem Segment. Wichtig für die Therapie ist darüber hinaus die Frage, ob zusätzlich zur Wandverdickung eine Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT) besteht, also eine sogenannte HOCM (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) vorliegt. 

Für die Diagnostik ist neben der genetischen Untersuchung eine Bildgebung mittels Kardio-MRT und Echokardiographie erforderlich. Dabei reicht ein Ruheecho allein nicht aus. Nur unter Provokation (Valsalva-Manöver oder physikalische Belastung) lässt sich der spezielle Subtyp nachweisen. Da dies allerdings häufig versäumt wird, bleibt wohl ein Großteil der Patienten unentdeckt – und das, obwohl die meisten HCM mit einer Obstruktion einhergehen.

Neu: Mavacamten zur Behandlung der HOCM

Bei einem relevanten Ausflusstrakt-Gradienten von ≥ 50 mmHg und bestehenden Symptomen bleiben Betablocker die Erstlinientherapie. Bei anhaltender Symptomatik oder Unverträglichkeit kommen alternativ Calciumantagonisten in Frage. Werden die Patienten auch hierunter nicht beschwerdefrei, steht erstmals ein völlig neuer Wirkstoff zur Verfügung: Der kardiale Myosininhibtor Mavacamten, der seit kurzem in Deutschland zugelassen ist und zusätzlich zu Betablockern oder ggf. auch als Monotherapie verabreicht wird. Er schiebt sich im Therapiealgorithmus damit vor septale Reduktionstherapien und hat das Potential, invasive Eingriffe bei der HOCM weiter in den Hintergrund zu drängen.

Mavacamten reduziert die Neigung zu Querbrückenverbindungen zwischen Aktin und Myosin im Sarkomer und wirkt damit gezielt der Hyperkontraktilität und Wandverdickung des Myokards entgegen. In den Zulassungsstudien erreichte der Wirkstoff eine signifikant bessere spiroergometrische Belastbarkeit als Placebo (37 versus 17%). Außerdem gelang es, den Anteil an Patienten mit Indikation zur Septumreduktion deutlich zu verringern.

Therapie unter regelmäßigem Monitoring

Der kardiale Myosininhibitor scheint gut verträglich zu sein, bisher sind keine relevanten Nebenwirkungen aufgetreten. Allerdings sind durch die hepatische Metabolisierung zahlreiche Interaktionen zu beachten. Um langsame und schnelle Metabolisierer zu unterscheiden, ist vor Therapiebeginn außerdem eine Pharmakogenetik erforderlich. Während der Behandlung müssen regelmäßig Echokontrollen erfolgen. Und schließlich ist Mavacamten fetotoxisch und daher für junge Frauen mit Kinderwunsch nicht geeignet.

Bislang wurde der neue Wirkstoff nur bei HOCM getestet und zugelassen. Ob er sich per se für alle Formen der hypertrophen Kardiomyopathie eignet, müssen weitere Studien zeigen.
 

Quelle:
  1. Aßmus, Birgit (Gießen): Kardiomyopathie: Neue Medikamente in der Routine. Session Neue Leitlinie Kardiomyopathie kurzgefasst, Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 13.-16. April 2024.
  2. Elliott PM et al.: 2014 ESC Guidelines on diagnosis and management of hypertrophic cardiomyopathy: the Task Force for the Diagnosis and Management of Hypertrophic Cardiomyopathy of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 35 (39): 2733–2779. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehu284
  3. Olivotto I et al.: Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020; 396 (10253): 759-769.