Harnwegsinfektionen sind nicht nur ein Faktor, der die Lebensqualität vieler urologischer Patienten und Patientinnen einschränkt, sondern erhöhen offensichtlich auch das Risiko für Schlaganfälle ganz erheblich, wie eine brandaktuelle Studie aus den USA zeigt. Wir stellen Ihnen diese Studie heute vor, die in besonderer Weise einen Beitrag zur Interdisziplinarität in der Urologie leistet.
Akute Infektionen gelten bereits seit Längerem als sogenannte Schlaganfall-Trigger. Jedoch war bisher noch unbekannt, ob alle Infektionen im Körper gleich stark das Risiko erhöhen, oder ob es je nach Organssystem auch Unterschiede gibt.
Die neue Studie von Solly Sebastian und KollegInnen untersuchte daher zu verschiedenen Zeitpunkten den Einfluss von Infektionen auf das Risiko für einen akuten ischämischen Schlaganfall, für intrazerebrale Blutungen bzw. Subarachnoidalblutungen.
Methodisch handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Datenbankanalyse, wobei Patientendaten zwischen 2006 und 2013 in die Auswertung einflossen. Die ForscherInnen nutzten das Quotenverhältnis (= Risikoverhältnis, odds ration; OR), um Zusammenhänge zwischen einem Infektionstyp und dem Schlaganfallrisiko zu bestimmen.
Im Ergebnis der Arbeit zeigte sich, dass im Prinzip jede Art von Infektion das Risiko für den akuten ischämischen Schlaganfall erhöhte. Den größten Zusammenhang jedoch fanden die ForscherInnen zwischen Harnwegsinfektionen und Schlaganfällen (OR = 5,32 [95%-KI: 3,69-7,68]), wobei das Risiko insbesondere innerhalb eines 7-Tage-Fensters stark erhöht war.
Zwischen Harnwegsinfektionen und intrazerebralen Blutungen bestand hingegen im Vergleich dazu ein deutlich geringeres, aber dennoch gegenüber PatientInnen ohne Infektionen signifikant erhöhtes Risiko innerhalb eines 14-Tage-Fensters (OR = 1,80 [95%-KI: 1,04-3,11]) sowie eines 120-Tage-Zeitraums (OR = 1,54 [1,23-1,94]).
Die vorliegende Arbeit wies eindeutig ein mehr als 3-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko innerhalb von 30 Tagen bei PatientInnen mit Harnwegsinfektionen nach. Das Studiendesign, bei dem jeder Patient / jede Patientin als die eigene Kontrolle diente, stärkt die Ergebnisse zusätzlich. Deshalb: Gerade wenn auch weitere Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Ihren PatientInnen bestehen, sollten Sie die PatientInnen während der urologischen Therapiedauer engmaschig nachkontrollieren.
Als möglichen Erklärungsansatz für den Zusammenhang zwischen Infektionen und Schlaganfällen führten die AutorInnen an, dass Infektionen in der Regel zu einem Anstieg der Leukozytenzahlen führen, was die Thrombogenese begünstigt. Darüber hinaus fördern Thrombenbildung, Infektionen und die damit einhergehenden Entzündungen die Aktivierung der Blutplättchen.
Harnwegsinfektionen sind also nicht allein ein urologisches Problem. Vielmehr greifen ihre gesundheitlichen Folgen ebenso auf benachbarte Fachgebiete der Medizin über, wie beispielsweise die Kardiologie oder die Hämatologie. Wenn auch die Studie keine Angaben dazu trifft, ob es sich bei den Harnwegsinfektionen um unkomplizierte oder komplizierte Verläufe gehandelt hat, so ist allein der Befund, dass eine solche Infektion des Harntraktes das Risiko für einen Schlaganfall erhöht, ein guter Grund, die PatientInnen interdisziplinär zu behandeln. Dies sollte insbesondere dann gelten, wenn zusätzliche Komorbiditäten die Situation noch verkomplizieren.
Wie sehen Sie das in Ihrer Praxis? Haben Sie möglicherweise hier auch schon eigene Erfahrungen gemacht? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen.
Originalarbeit: Sebastian S et al., Infection as a stroke trigger: Associations between different organ system infection admissions and stroke subtypes. Stroke 2019; doi:10.1161/STROKEAHA.119.025872