Einige moderne Antidiabetika, wie z. B. SGLT2-Inhibitoren, zeigten in zahlreichen Studien positive Wirkungen auf kardiovaskuläre Risiken oder die Nierenfunktion bei DiabetikerInnen. Mehrere internationale klinische Leitlinien gehen mittlerweile auf diese Effekte ein und empfehlen den Einsatz von SGLT2-Hemmern bei kardiovaskulären RisikopatientInnen mit Typ-2-Diabetes. Doch aktuelle Studienergebnisse zeigen einen ebensolchen Nutzen bei PatientInnen mit Herzinsuffizienz unabhängig vom Diabetes-Status.
Die bisher proaktivste Leitlinie zu diesem Thema ist der 2019 veröffentlichte Behandlungsleitfaden zu Diabetes, Prä-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC). Darin wird empfohlen, für DiabetespatientInnen mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Arteriosklerose vorzugsweise Medikamente mit kardioprotektivem Effekt einzusetzen. Dies können sogenannte SGLT2 (Sodium dependent glucose co-transporter 2)-Inhibitoren oder auch GLP1-Rezeptor-Agonisten sein.
Das ebenfalls Ende 2019 publizierte HFrEF-Leitlinien-Update empfiehlt nun ebenso den Einsatz von SGTL2-Hemmern bei PatientInnen mit milder bis moderater Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion mit und ohne Diabetes mellitus.
Aktuelle Studien hatten hier zuvor gezeigt, dass die kardioprotektive Wirkung von SGLT2-Inhibitoren ebenso bei NichtdiabetikerInnen eintritt und beispielsweise die Risiken für Tod oder Hospitalisierung signifikant senkt.
Prof. Dr. med. Stefan Anker (Charité, Berlin) stellte basierend auf den aktuellen Erkenntnissen anlässlich des virtuellen ESC 2020 wichtige Eckpunkte der praktischen Anwendung von SGLT2-Inhibitoren in der kardiologischen Praxis vor.
Dabei sei es insbesondere wichtig, beim Start der Therapie DiabetikerInnen mit Herzinsuffizienz darauf hinzuweisen, dass sehr früh milde bis moderate Harnwegsinfektionen auftreten können, die in der Regel selbstlimitierend sind. Mit einer einfachen Genitalhygiene lassen sich diese anfänglichen Infektionen zudem sehr leicht vermeiden.
Ferner können SGLT2-Hemmer diuretisch wirken, dass heißt PatientInnen werden einen mehr oder minder großen Flüssigkeitsverlust bemerken. Messbar wird dieser für die KardiologInnen als leichter Abfall des Blutdruckes. Daher sollte zum Einstieg der Behandlung mit SGLT2-Hemmern gerade bei älteren PatientInnen > 65 Jahre mit 10 mg Tagesdosis begonnen werden, mit anfangs regelmäßiger Kontrolle des Blutdruckes sowie Hämatokrits und Elektrolythaushalts. Kommt es zu einem Flüssigkeitsverlust, sollte die SGLT2-Inhibitor-Gabe unterbrochen werden. Solange bis der Flüssigkeitshaushalt wiederhergestellt wurde.
Wichtig! Bei PatientInnen mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung und bei solchen mit vermerkter Hypotonie könnte ein Blutdruckabfall nach SGLT2-Inhibitor-Gabe durchaus ein gesundheitliches Risiko darstellen. Werden die SGLT2-Hemmer DiabetikerInnen gemeinsam mit Sulfonylharnstoffen gegeben, so besteht ferner ein erhöhtes Hypoglykämierisiko.
Innerhalb der ersten vier Wochen nach Initiierung der Behandlung mit einem SGLT2-Hemmer kann zudem die eGFR um etwa 3 ml/min/1,73 m2 abnehmen und stabilisiert sich danach rasch wieder. Aus diesem Grund ist gerade auf PatientInnen mit Nierenfunktionsstörungen besonders zu achten.
Quelle: Industry Q&A session: “Time to Take the Lead - Practical Utilization of SGLT2 Inhibitors”, ESC 2020 (virtual), 31st August 2020