Bipolare Störung: Genomik enthüllt Therapie-Perspektiven

Die bipolare Störung ist eine der Hauptursachen für die weltweite Krankheitslast. Bisher waren die zugrunde liegenden genetischen Determinanten dieser Erkrankung unbekannt und das trotz der hohen Erblichkeit (60-80 %). Die bisher größte Genomstudie zur bipolaren Störung bringt Licht ins Dunkel.<sup>1</sup>

Ein kurzer Selbsttest gibt Hinweise auf das Vorliegen einer bipolaren Störung

Es ist recht schwer einen Termin zur Abklärung einer psychischen Erkrankung sowie deren Behandlung in Deutschland zu bekommen. In manchen Orten gibt es Wartelisten von bis zu 2 Jahren. Hier kommt das Internet ins Spiel. So kann man z.B. auf verschiedenen Webseiten einen Selbsttest durchführen. Dieser kann einen Hinweis darauf geben, ob eine bipolare Störung vorliegt. Betroffene Personen zeigen oft eine ausgeprägte Unruhe und Überdrehtheit, da die Manie im Wesentlichen eine starke Erregung oder innere Getriebenheit darstellt, die sich auf diese Weise äußern kann. Die weiteren Aspekte betreffen das bei einer Manie typische reduzierte Schlafbedürfnis, die rasende Sprechgeschwindigkeit, das überhöhte Selbstbewusstsein, die gesteigerte Libido sowie riskantes Verhalten. Jeder dritte Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung, wie beispielsweise der bipolaren Störung. Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zufolge betrug jedoch die Gesamtlebenszeitprävalenz des bipolaren Spektrums nur 2,4 %.3, 4

Die bipolare Störung ist durch chronisch auftretende Episoden von Manie oder Hypomanie im Wechsel mit Depressionen gekennzeichnet.4

Wie kommt es zu einer bipolaren Störung?

Die bipolare Störung gehört weltweit zu den 10 häufigsten Ursachen für Behinderungen. Die genaue Ätiologie der bipolaren Störung ist derzeit nicht bekannt. Sowohl Umweltfaktoren als auch genetische, epigenetische und neurochemische Einflüsse scheinen eine Rolle zu spielen. Bisher konnten bereits mehr als 30 Gene mit einem erhöhten Risiko für diese Erkrankung gefunden werden. Misshandlungen in der Kindheit – insbesondere emotionaler Missbrauch oder auch Vernachlässigung – können mit einer späteren Entwicklung einer bipolaren Störung in Verbindung gebracht werden. Zu belastenden Lebensereignissen, die mit der Entwicklung einer bipolaren Störung assoziiert waren, gehören: 

Solch ein belastendes Lebensereignis kam bei über 60 % der Patienten in den vorangegangenen sechs Monaten vor Ausbruch der Erkrankung vor.3

Potentielle sekundäre Ursachen einer bipolaren Störung

Es gibt bestimmte Faktoren und Merkmale, die den Verdacht auf eine sekundär auftretende bipolare Störung verstärken können. Hierzu zählen: 

In solch einem Fall sollte man weitere Nachforschungen anstellen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Die empfohlene Erstuntersuchung auf eine mögliche sekundäre Ursache umfasst ein komplettes Blutbild mit Blutausstrich, ein umfassendes metabolisches Panel, Schilddrüsenfunktionstests, einen Drogenurintest sowie die Bestimmung des Vitamin-B- und Folsäurespiegels.3

Die größte Genomstudie zur bipolaren Störung ebnet den Weg für eine personalisierte Therapie

Erst kürzlich wurde die weltweit größte Studie zur genetischen Architektur der bipolaren Störung veröffentlicht. Diese vom National Institute of Health finanzierte Studie ergab Aufschlüsse über neue Gene, die an der Störung beteiligt sind, sowie über verschiedene Gene, die zu bestimmten Subtypen der Störung beitragen können. Sie wirft ein neues Licht auf den genetischen Hintergrund der biologischen Mechanismen dieser Erkrankung. Die so gewonnenen Studienergebnisse könnten den Weg für gezieltere und personalisierte Behandlungen ebnen. Die genannte Genomstudie schloss 158.036 Menschen mit bipolarer Störung sowie 2.796.499 Menschen ohne diese Störung aus 79 klinischen, gemeindenahen und selbstberichteten Kohorten ein. Im Gegensatz zu früheren Studien mit dieser Thematik untersuchte das Forschungsteam nicht nur Menschen europäischer Abstammung, sondern schloss auch ostasiatische, afroamerikanische und lateinamerikanische Personen mit ein.1

Spezifische Zelltypen spielen eine Rolle bei der bipolaren Störung

In der Metaanalyse konnten insgesamt 298 genomweit signifikante Loci identifiziert werden. Durch die Integration der Ergebnisse aus dem Fine-Mapping und anderen Varianten-zu-Genen-Mapping-Ansätzen konnten 36 vielversprechende Gene für die Ätiologie der bipolaren Störung identifiziert werden. Interessanterweise konnten in der ostasiatischen Kohorte abstammungsspezifische Zusammenhänge festgestellt werden. Die durch Feinkartierung priorisierten Gene standen in Fällen mit bipolarer Störung u.a. mit extrem seltenen schädlichen Missense-Variationen in Zusammenhang. Mehrere Analysen weisen auf spezifische Zelltypen in der Pathophysiologie der bipolaren Störung hin, darunter GABAerge Interneuronen und mittelgroße dornentragende Projektionsneurone. Diese Analysen liefern zusätzliche Erkenntnisse über die genetische Architektur und die biologischen Grundlagen der bipolaren Störung.1

Das breite Spektrum von Erkrankungen ist genetisch verankert

Das Forschungsteam stellt Unterschiede in der genetischen Architektur der verschiedenen Subtypen der bipolaren Störung fest. Diese vielfältige Genetik spielt eine wichtige Rolle für das breite Spektrum von Erkrankungen, die unter den Begriff „bipolare Störung“ fallen. Sie erklärt auch die unterschiedlichen Ausprägungsgrade dieser Erkrankung.1

Die Diagnosestellung gestaltet sich schwer

Die bipolare Störung wird anfangs häufig fehldiagnostiziert. Dies liegt daran, dass die bipolare Störung oft schwer zu erkennen ist, da sich die Symptome mit anderen psychiatrischen Störungen überschneiden können. Auch sind psychiatrische und somatische Komorbiditäten bei den betroffenen Patienten häufig. Die Patienten zeigen oft - insbesondere bei Hypomanie - keine Einsicht. Dies kann die Diagnosestellung um ein weiteres erschweren. Nach erfolgreicher Diagnosestellung umfasst die Behandlung eine Pharmakotherapie und psychosoziale Interventionen. Es kann jedoch trotzdem zu Stimmungsrückfällen und unvollständigem Ansprechen, insbesondere bei Vorliegen einer Depression kommen. Bei der langfristigen Betreuung der Patienten ist in der Regel eine kontinuierliche Neubewertung und eine Änderung der Behandlung erforderlich.3

Fazit für die Praxis

Quellen:
  1. O’Connell K. S. et al. (2025). Genomics yields biological and phenotypic insights into bipolar disorder. Nature 639, 968–975 (2025). 
  2. https://inklusionsfit.de/aktionstage/welt-bipolar-tag-2/
  3. Jain A. et al. (2023). Bipolar Disorder. 2023 Feb 20. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2025 Jan–. 
  4. Psychenet. (n.d.). Bipolare Störungen – Selbsttest. Abgerufen am 28. März 2025, von https://www.psychenet.de/de/selbsttests/bipolare-stoerungen.html