In fremden Zungen reden: Fremdsprachen-Akzent-Syndrom
Das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom ist ein seltenes Zeichen für traumatische Hirnschäden, Apoplex, Multiple Sklerose – in einer aktuellen Kasuistik gibt es jedoch eine gänzlich andere Ursache.
Erstmanifestation einer Transformation in ein kleinzelliges neuroendokrines Karzinom
Ein FAS wird am häufigsten durch eine Gehirnschädigung infolge eines Schlaganfalls oder eines Schädel-Hirn-Traumas verursacht. Es gibt auch andere Ursachen, darunter Multiple Sklerose und eine psychiatrische Variante im Zusammenhang mit Konversionsstörungen.2
Eine aktuelle Fallvignette berichtet über das Auftreten der Störung in einem bislang noch nicht beschriebenen Kontext.3,4 Ein Kalifornier in seinen 50ern stellte sich mit einem starken irischen Akzent vor, obwohl er keinen irischen Hintergrund hatte und noch nie in Irland gewesen war. Sein Akzent war unkontrollierbar, in allen Situationen präsent und wurde mit der Zeit immer stärker. Vorbekannt war ein metastasierendes hormonsensitives Prostatakarzinom, weswegen er eine Androgendeprivationstherapie und Abirateronacetat/Prednison erhielt. Als einziges weiteres Symptom beklagte er Gewichtsverlust.
Die neurologische Untersuchung und ein MRT des Kopfes waren unauffällig und der Mann wies keine psychiatrische Vorgeschichte auf. Trotz nicht nachweisbarem PSA-Wert offenbarte eine CT des Beckens jedoch einen Progress seines Tumors. Eine Biopsie ergab, dass eine Transformation in ein kleinzelliges neuroendokrines Prostatakarzinom (NEPC) stattgefunden hatte.
Neurologe meist erste Anlaufstelle bei FAS
Sein Erscheinungsbild deutete auf eine zugrunde liegende paraneoplastische neurologische Störung (PNS) hin. PNS können alle Bereiche des zentralen und peripheren Nervensystems, sowie die neuromuskuläre Endplatte und den Muskel betreffen und führen oft zu schweren Behinderungen. Ursächlich hierfür sind unter anderem hormonelle und immunvermittelte Reaktionen, insbesondere vom Tumor ausgelöste, gegen gemeinsame Antigene des Tumors und des Nervensystems (sog. onko-neurale Antigene) gerichtete Autoimmun-Reaktionen.5
Solche paraneoplastischen Phänomene werden mehrheitlich vom Neurologen erstdiagnostiziert, da die neurologischen Störungen bei den meisten Patienten den klinischen Manifestationen des Tumors vorausgehen. Eine frühestmögliche Erkennung und Tumortherapie liefert die besten Chancen, paraneoplastische Störungen zu stabilisieren.5
Trotz Chemotherapie schritt das NEPC des Patienten fort, was zu multifokalen Leber- und Knochen-, sowie später auch Hirnmetastasen führte. Er verstarb unter palliativer Versorgung an einer wahrscheinlich paraneoplastischen aufsteigenden Lähmung. Seinen "Irish Brogue"-Dialekt behielt er bis zum Schluss.
Fazit für die Praxis
Die Diagnose einer paraneoplastischen neurologischen Störung erfolgt am sichersten durch Nachweis eines der gut charakterisierten anti-onko-neuralen Antikörper im Serum, jedoch haben etwa ein Drittel der Betroffenen keine nachweisbaren Antikörper (wie der Patient in unserem Fall) und 5–10% haben atypische Antikörper.5
MRT-Befunde können lediglich eine strukturelle Ursache für das Syndrom, wie einen Schlaganfall oder eine traumatische Hirnschädigung, bestätigen, aber die Diagnose eines FAS wird letztlich klinisch gestellt. Die mit dem FAS verbundene Veränderung der Aussprache ist oft auf veränderte Bewegungen des Kiefers und der Zunge des Patienten zurückzuführen. Im Falle eines Apoplex ist die Störung nicht bleibend und bildet sich mit der Genesung des Betroffenen zurück.4
Weitere Informationen aus der Neurologie:
Weitere Informationen Onkologie und Urologie
- Barreto, S. dos S. & Ortiz, K. Z. Speech in the foreign accent syndrome: differential diagnosis between organic and functional cases. Dement Neuropsychol 14, 329–332 (2020).
- Home - Foreign Accent Syndrome (FAS) | The University of Texas at Dallas. https://sites.utdallas.edu/fas/.
- Broderick, A., Labriola, M. K., Shore, N. & Armstrong, A. J. Foreign accent syndrome as a heralding manifestation of transformation to small cell neuroendocrine prostate cancer. BMJ Case Reports CP 16, e251655 (2023).
- Kalyani, U. Never Been To Ireland, Man Develops Irish Accent Due To Prostate Cancer Complication. Medical Daily https://www.medicaldaily.com/never-been-ireland-man-develops-irish-accent-due-prostate-cancer-complication-467995 (2023).
- Orphanet: Paraneoplastic neurologic syndrome. https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/Disease_Search.php?lng=DE&data_id=10425&Disease(s)/group%20of%20diseases=Paraneoplastic-neurologic-syndrome&title=Paraneoplastic-neurologic-syndrome&search=Disease_Search_Simple.
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