Multiple Sklerose: mehr Stress = mehr Schübe?
Durch überschießende Entzündungsreaktionen und eine verstärkte Degenerationsneigung kann Stress bei MS Schübe und Behinderungsprogression begünstigen.
Zusammenhang zwischen Stress und MS
- Stress ist von zahlreichen Studien mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht worden, da er zur Dysregulierung von Immunsignalwegen beiträgt1
- zahlreiche Daten weisen auf den Zusammenhang zwischen belastenden Umständen – vor allem emotionalem Dauerstress, Konflikten, Verlusten, fehlender sozialer Unterstützung, Ängsten und Depressionen – und Exazerbationen von MS hin1,2
Wie Lebensereignisse die Entwicklung von MS beeinflussen
Eine Studie der Universität Pittsburgh berichtete, dass auf belastende Ereignisse, wie den Tod eines Angehörigen oder eine Scheidung, in 50% der Fälle innerhalb von sechs Wochen ein Schub folgte.3 Eine andere Studie aus den Niederlanden ergab ebenfalls, dass belastende Lebensereignisse die Schubrate in den folgenden vier Wochen mehr als verdoppelten. Auch emotionale Ausnahmezustände, die eigentlich positiv sind, können einen solchen Stress repräsentieren. Nach großen Belastungen war die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten acht Wochen eine neue MRT-Läsion zu entwickeln, laut Daten aus den USA etwa 1,6 Mal höher.3,4
Über welche Mechanismen Stress die Entzündungsaktivität ankurbelt, ist noch immer erst zum Teil verstanden. Neben dem autonomen Tonus und der Stressreaktivität könnte von Bedeutung sein, dass Stress zur Ausschüttung von Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) und Neurotensin führt, welche die Aktivierung von Mikroglia und Mastzellen verstärken können.1,5 Die anschließende Schädigung der Blut-Hirn-Schranke ist möglicherweise entscheidend für die Migration selbstreaktiver T-Zellen und die Auslösung des Autoimmunprozesses, der zur Bildung neuer Läsionen führt.2
Experimentelle Arbeiten lassen außerdem den Schluss zu, dass Dauerstress die Kommunikation zwischen dem neuroendokrinen System und dem Immunsystem beeinträchtigt und zu einer Steroidresistenz führen kann. Stress aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, was die Ausschüttung von Corticosteron fördert. Dieses unterdrückt normalerweise die pathogene Stimulation des Immunsystems. Bei chronischem Stress wurden die Versuchstiere mit der Zeit weniger responsiv auf die immunsuppressive Wirkung von Corticosteron (insbesondere auf proinflammatorische T-Zelllinien) und entwickelten dadurch ein höheres Risiko für destruktive Autoimmunität.6
Aber auch Akutstress verschiebt das Gleichgewicht von Th2- (also antientzündlichen) hin zu Th1- (oder proentzündlichen) Zytokinen. Selbst bei Gesunden ging beispielsweise das Staatsexamen mit einem signifikanten Anstieg von TNF-alpha einher; dieses Zytokin ist nachweislich bei MS-Schüben erhöht.3
Stressbewältigungstechniken, wie Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, korrelierten in Studien mit einer reduzierten Entzündungsaktivität und sollten daher eine zentrale Therapiekomponente sein.
- Giordano, A. et al. Stress related to COVID-19 pandemic as a trigger for disease activity in multiple sclerosis: a case report. Neurol Sci 42, 3969–3971 (2021).
- Artemiadis, A. K., Anagnostouli, M. C. & Alexopoulos, E. C. Stress as a risk factor for multiple sclerosis onset or relapse: a systematic review. Neuroepidemiology 36, 109–120 (2011).
- Stress and MS | Overcoming Multiple Sclerosis. https://overcomingms.org/about-multiple-sclerosis/ms-encyclopedia/stress-and-ms.
- Lovera, J. & Reza, T. Stress in multiple sclerosis: review of new developments and future directions. Curr Neurol Neurosci Rep 13, 398 (2013).
- Mohr, D. C. & Pelletier, D. A temporal framework for understanding the effects of stressful life events on inflammation in patients with multiple sclerosis. Brain Behav Immun 20, 27–36 (2006).
- Harpaz, I. et al. Chronic exposure to stress predisposes to higher autoimmune susceptibility in C57BL/6 mice: Glucocorticoids as a double-edged sword. European Journal of Immunology 43, 758–769 (2013).
letzter Zugriff auf Websites: 17.10.22