Neue Hoffnung für Migränepatienten: Prof. Goßrau über die Zulassung innovativer Therapien mit Gepanten in Deutschland

Migräne ist eine häufige, aber oft unzureichend behandelte Erkrankung. Mit der Einführung eines neuen Wirkstoffs aus der Gruppe der Gepante könnte sich dies ändern.

Interview mit Prof. Goßrau

esanum: Prof. Goßrau, ein neuer Wirkstoff aus der Gruppe der Gepante ist in Deutschland zugelassen. Bis zu 14 Prozent aller Frauen und 8 Prozent aller Männer in Deutschland leiden unter Migräneattacken. Können Sie uns erklären, wie dieser Wirkstoff wirkt und was daran neu ist?

Prof. Goßrau: Gepante wirken am CGRP-Rezeptor, ein wichtiger Rezeptor für den Neurotransmitter CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). CGRP spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Migränekopfschmerzen. Der neue Wirkstoff ist ein Rezeptorantagonist, der sich in die Bindungsstelle des CGRP-Rezeptors legt und die Übertragung von u.a. Schmerzsignalen blockiert. Frühe Studien zu Gepanten wurden aufgrund von Lebertoxizität abgebrochen. Heute ist der Wirkstoff weiterentwickelt und zeigte in den Zulassungsstudien keine toxischen Effekte. Studien bestätigen eine Reduktion der Migränefrequenz, was die Lebensqualität der Betroffenen verbessert.

esanum: Der Wirkstoff ist in Deutschland erst ab dem 1. März verfügbar, während er in anderen EU-Ländern und den USA schon länger zugelassen ist. Warum hinken wir hinterher?

Prof. Goßrau: Das liegt vermutlich an der Frage, wie sich das Medikament in die bestehende Behandlungshierarchie einordnet. In Deutschland stehen bereits drei CGRP- bzw. 1 CGRP-Rezeptor-Antikörper und klassische unspezifische Prophylaxen zur Verfügung. Die Einführung eines neuen Medikaments erfordert sorgfältige Abwägungen hinsichtlich Einsatz und medizinischem Nutzen.

esanum: Bedeutet das, dass der Wirkstoff zunächst Patienten vorbehalten ist, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen?

Prof. Goßrau: Das Medikament wird primär für Patienten verwendet, die mit klassischen Therapien keinen Effekt hatten. Es ist für Personen mit mindestens vier Migränetagen im Monat zugelassen. Die ökonomische Dimension spielt eine große Rolle, da die klassischen Prophylaxen deutlich günstiger sind und Medikamentenverordnungen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unterliegen.

esanum: Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Kopfschmerzambulanz gemacht? Wie viele Ihrer Patienten profitieren von dem neuen Medikament?

Prof. Goßrau: In unserer Praxis könnte es mindestens 1/4 unserer Patienten helfen, insbesondere jenen mit frustranen Vortherapien. Es bietet eine neue Option für Betroffene, die bisher nicht ausreichend behandelt werden konnten.

esanum: Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Prof. Goßrau: Verstopfung, Übelkeit und leichte Infekte der oberen Atemwege wurden beobachtet, insgesamt wird der Wirkstoff gut vertragen. Er unterscheidet sich von älteren, unspezifischen Medikamenten durch deutlich weniger und spezifischere Nebenwirkungen.

esanum: Gibt es weitere vielversprechende Ansätze in der Migräneforschung?

Prof. Goßrau: Ja, die Entwicklung von PACAP-Antikörpern ist ein vielversprechender Ansatz. PACAP ist ein weiterer Neurotransmitter, dessen Blockade Migräneattacken reduzieren könnte. Die klinischen Studien laufen derzeit und wir erwarten die Ergebnisse in ein bis zwei Jahren.

esanum: Wann können wir mit ersten Real-World-Daten aus Deutschland rechnen?

Prof. Goßrau: Innerhalb eines Jahres hoffen wir auf belastbare Daten, die zeigen, wie der Wirkstoff im klinischen Alltag funktioniert. Zusätzlich läuft eine Vergleichsstudie mit der etablierten Migräneprophylaxe Topiramat, um deren Verträglichkeit gegenüberzustellen.

Wer ist Prof. Gudrun Goßrau?

Prof. Dr. med. Gudrun Goßrau ist Generalsekretärin und Pressesprecherin der DMKG (Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft) sowie zertifizierte Kopf- und Gesichtsschmerzexpertin. Als Fachärztin für Neurologie mit spezieller Schmerztherapie leitet sie die Kopfschmerzsprechstunde am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und ist DMKG Regionalbeauftragte.