Optionen zur Augmentation bei therapieresistenter Altersdepression

Ein substanzieller Teil älterer, mit Antidepressiva behandelter Menschen spricht nicht auf die Therapie an. Dann ist die Frage: ganz umstellen oder lediglich ergänzen, und wie?

Antidepressiva: Augmentation oder Wechsel bei Behandlungsresistenz im Alter?

Der nächste Schritt besteht oft darin, die bestehende Medikation entweder mit einem Antidepressivum aus einer anderen Klasse oder einem Antipsychotikum zu ergänzen. Welche Strategie die bessere ist, hängt bis zu einem gewissen Grad davon ab, welches Medikament hinzugefügt wird. Eine zweistufige Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, verglich das Add-On von entweder Bupropion (einem Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) oder Aripiprazol (einem atypischen Antipsychotikum) mit einem kompletten Wechsel auf Bupropion.3

In der ersten Studienphase der OPTIMUM-Studie (Optimizing Outcomes of Treatment-Resistant Depression in Older Adults) wurden 619 Patienten über 60 Jahren mit therapierefraktärer Depression zu etwa gleichen Teilen auf die drei Interventionsgruppen verteilt. Eine Remission war nach 10 Wochen bei 28,9 Prozent der Patienten in der Aripiprazol-Augmentationsgruppe, bei 28,2 Prozent in der Bupropion-Augmentationsgruppe und bei 19,3 Prozent in der Switch-to-Bupropion-Gruppe zu verzeichnen. Die Scores für das Wohlbefinden verhielten sich analog (verbesserten sich um respektive 4,83 Punkte, 4,33 Punkte bzw. 2,04 Punkte). In der zweiten Studienphase, die insgesamt 248 Patienten einschloss; wurde jeweils die Hälfte der Patienten über wiederum 10 Wochen einer Lithium-Augmentation oder einer Umstellung auf Nortriptylin zugewiesen und 18,9 Prozent der Patienten in der Lithium-Augmentationsgruppe und 21,5 Prozent in der Nortriptylin-Gruppe erlebten hierunter eine Remission.

Aktuelle Studie unterstützt Add-on von Aripiprazol

Behandlungsresistente geriatrische Depressionen sprachen demnach etwa gleichermaßen auf eine Augmentation mit Aripiprazol und eine Augmentation mit Bupropion an; die Studienautoren gaben der Augmentation mit Aripiprazol den Vorzug, da sie mit weniger Sturzereignissen verbunden war.4 Was diese unerwünschte Wirkung anbelangt, wich die Studie jedoch von dem geriatrischen Pharmakotherapie-Diktum "start low, go slow" ab, was möglicherweise zu höheren Bupropion-Dosen führte als notwendig.5

Das zugehörige Editorial empfiehlt, die Behandlung im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen anzupassen, wie z.B. Aripiprazol-induzierte Akathisie. Ein klinisch relevanter Punkt ist zudem das signifikante Potenzial für eine Gewichtszunahme unter Aripiprazol oder ein metabolisches Syndrom.3

Zwei auch in den Korrespondenzen bemängelte Punkte sind die kurze Studiendauer, die zur Unterschätzung von Nebenwirkungsraten führen könne sowie das Versäumnis der Studienautoren, das Risiko einer tardiven Dyskinesie unter Aripiprazol zu erwähnen, welche auch nach Absetzen der Behandlung fortbestehen kann.5 Die Wahrscheinlichkeit ist geringer als unter klassischen Neuroleptika wie Haloperidol, aber liegt immerhin bei bis zu 5,09 Prozent nach einem Jahr Therapie!6

Gegen einen kompletten Wechsel spricht das Risiko eines möglichen Verlusts des partiellen Ansprechens auf das Erstlinien-Antidepressivum, was das obige Ergebnis zu reflektieren scheint. Zudem ist bei verschiedenen Wirkstoffen das Risiko von Entzugssymptomen zu berücksichtigen. Bei Kombinations- und Augmentationsbehandlungen dagegen können Arzneimittelwechselwirkungen und schlechte Adhärenz auftreten.2

Depressionen in geriatrischer Population sind anders als in der jüngeren Bevölkerung

Bei Altersdepressionen spielen andere Faktoren eine größere Rolle als bei Menschen mittleren Alters: Körperliche Beschwerden, kognitive Beeinträchtigungen, Verminderung des Seh- und Hörvermögens, reduzierte körperliche Aktivität, Medikamentennebenwirkungen, Nährstoffmangelerscheinungen – und last, but not least: die soziale Komponente.1

Mit zunehmendem Alter erleben viele Menschen Umbrüche in ihrem Leben, wie den Verlust geliebter Menschen, Ruhestand und Änderungen der Finanz- und Wohnsituation. Die Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen nimmt ebenso zu wie das Phänomen der sozialen Isolation. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Depressionen, Ängsten und chronischen Erkrankungen.7 Den Möglichkeiten rein medikamentöser Ansätze sind in diesem multifaktoriellen Kontext von vornherein Grenzen gesetzt.

Starke Evidenz unterstützt insbesondere auf körperlicher Aktivität basierende Interventionen mit sozialer Komponente neben der reinen Bewegung, da diese die soziale Teilhabe, die Lebensqualität und die körperliche Fitness im Allgemeinen erhöhen.1 Auch Behandlungsansätze wie Ergotherapie, Psychotherapie, Tai Chi oder Problemlösetraining verbessern nachweislich die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens für ältere Erwachsene mit Depressionen.Zum Abschluss ein Zitat aus "Im Nebel" von Hermann Hesse, der selbst an Depressionen litt:

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
 

Weitere Informationen aus der Neurologie

Quelle:
  1. Sarsak, H. I. Interventions for Depression in Older Adults and the Role of Occupational Therapy. Acta Scientific Neurology 03–05 (2018).
  2. Papakostas, G. I. Managing Partial Response or Nonresponse: Switching, Augmentation, and Combination Strategies for Major Depressive Disorder. J Clin Psychiatry 70, 11183 (2009).
  3. Lewis, G. & Lewis, G. Aripiprazole Augmentation in Older Persons with Treatment-Resistant Depression. New England Journal of Medicine 388, 1137–1138 (2023).
  4. Lenze, E. J. et al. Antidepressant Augmentation versus Switch in Treatment-Resistant Geriatric Depression. New England Journal of Medicine 388, 1067–1079 (2023).
  5. Antidepressant Augmentation versus Switch in Treatment-Resistant Geriatric Depression. New England Journal of Medicine 388, 2012–2013 (2023).
  6. Sanchez, R. et al. Incidence and severity of tardive dyskinesia in patients receiving aripiprazole or haloperidol for the treatment of schizophrenia or schizoaffective disorder. European Psychiatry 22, S138–S138 (2007).
  7. Adams, A., Horsford, C., Jones, P., Long, R. & Pflugradt, D. Effectiveness of Occupational Therapy Interventions to Promote Social Participation and Quality of Life in Older Adults: A Rapid Systematic Review. (2021).

    letzter Zugriff auf Websites: 15.09.23