Seltener Doppelgänger einer MS: Schilder-Krankheit

Eine seltene MS-artige Erkrankung, die vor allem bei Teenagern und jungen Erwachsenen auftritt, ist durch die Demyelinisierung großer Bereiche der weißen Substanz gekennzeichnet.

Woran erkennt man die Myelinoklastische diffuse Sklerose Schilder (engl. Schilder's myelinoclastic diffuse sclerosis, MDS)?

Junge Frau mit Kopfschmerzen, Erbrechen und Frontalhirnsyndrom 

Eine 22-jährige Frau ohne nennenswerte Vorerkrankungen wurde mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Frontalhirnsyndrom und Sehverlust in die Notaufnahme eingeliefert. Sie hatte weder Fieber noch einen infektiösen Fokus. In einer CT des Kopfes kamen beidseitige frontale Hypodensitäten ohne jegliche Anreicherung zur Darstellung. Mit der Verdachtsdiagnose Meningoenzephalitis wurde sie für 15 Tage auf einer infektiologischen Station mit Triaxon und Aciclovir behandelt, ohne dass eine klinische Besserung eintrat. Eine daraufhin durchgeführte MRT zeigte zwei separate Läsionen in beiden Frontallappen, hypointens in der T1-gewichteten Sequenz, hyperintens in den T2-, FLAIR- und DWI-gewichteten Sequenzen, eine diskontinuierliche Ringanreicherung und einen Masseneffekt. Der MRT-Befund in Verbindung mit den klinischen Symptomen legte die Diagnose einer demyelinisierenden Erkrankung und insbesondere der Schilder-Krankheit nahe. Auf den histologischen Beweis in Form einer Hirnbiopsie wurde aufgrund der Invasivität verzichtet. Die Patientin wurde in die neurologische Abteilung verlegt, wo sie 5 Tage lang hochdosierte Kortikosteroide erhielt.1

Schwerwiegende klinische Folgen bei verzögerter Behandlung

Die Liquor-Diagnostik ergab keine oligoklonalen Banden sowie eine normale Zellzahl und Biochemie, außerdem waren die viralen und bakteriellen Kulturen steril. Die wenigen entnommenen Tropfen verschlimmerten den neurologischen Zustand der Patientin.
Derzeit herrscht kein Konsens darüber, ob die MDS als seltene MS-Variante oder als eigene Krankheitseinheit zu sehen ist. Für Letzteres spricht, dass die Liquor-Befunde der meisten MDS-Patienten deutlich von den für MS typischen abweichen.2 Auch EBV-Serumantikörper, die bei praktisch allen MS-Patienten vorhanden sind, und die so genannte MRZ-Reaktion (Masern/Röteln/Zoster), ein hochspezifischer Marker für MS, fehlten bei in der Literatur beschriebenen MDS-Fällen.2

Bei der jungen Frau führte die diagnostische Verzögerung zu einer Bettlägerigkeit, die – so die Einschätzung der Kasuistik – hätte vermieden werden können. Die Erkrankung gilt als sensibel gegenüber Steroiden, wenngleich aufgrund der Seltenheit der Erkrankung keine Evidenzbasis zur Wirksamkeit bei Kindern vorliegt. Eine Publikation aus 2012 schlägt überdies vor, zuerst mit humanen IV-Immunglobulinen und dann mit hochdosierten Kortikosteroiden zu behandeln.3

Bei der Nachuntersuchung nach 6 Monaten hatte sich die Symptomatik der Patientin deutlich verbessert die zuvor beschriebenen bifrontalen Läsionen waren fast vollständig verschwunden. Der langfristige Verlauf ist bei der MDS jedoch ungewiss, dieser kann progredient oder schubförmig sein, auch komplette Erholungen sind beschrieben.

Weitere Informationen aus der Neurologie: 

Quellen:
  1. Taoussi, R. et al. A rare presentation of multiple sclerosis: Schilder’s disease. Radiology Case Reports 17, 2661–2664 (2022).
  2. Jarius, S., Haas, J., Paul, F. & Wildemann, B. Myelinoclastic diffuse sclerosis (Schilder’s disease) is immunologically distinct from multiple sclerosis: results from retrospective analysis of 92 lumbar punctures. J Neuroinflammation 16, 51 (2019).
  3. Kraus, D., Konen, O. & Straussberg, R. Schilder’s disease: Non-invasive diagnosis and successful treatment with human immunoglobulins. European Journal of Paediatric Neurology 16, 206–208 (2012).

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