Abwägung: Krebsrisiko nach JAK-Hemmern in der rheumatologischen Therapie

Neueste Daten ermöglichen eine genauere Quantifizierung des schon länger im Raum stehenden Malignomrisikos eines Januskinase-Inhibitors.

Erkenntnisse aus neuer Analyse einer offenen, randomisierten, kontrollierten Surveillance-Studie

Was bisher bekannt war

Nachdem sich in Zulassungsstudien zu Tofacitinib (Erstzulassung 2012) ein erhöhtes Risiko für bestimmte Neoplasien und Infektionen abgezeichnet hatte, ordnete die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) Post-Marketing-Studien an. Diese begannen 2014 und erste Ergebnisse, die vor etwa einem Jahr im New England Journal of Medicine publiziert wurden, bekräftigten die Warnungen.2 Erst kürzlich erschien noch ein umfänglicherer Bericht zu diesen Surveillance-Daten, welcher zusätzliche Details zum Malignitätsrisiko, einschließlich der Raten spezifischer Tumoren enthält und diese dem Risiko unter TNF-Hemmern gegenüber stellt.3

Präziseres Bild der Risiken durch eigene Langzeit-Sicherheitsstudie 

Die 'ORAL' Surveillance-Studie berichtet unter Tofacitinib im Vergleich zu Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Inhibitoren ein erhöhtes Malignomrisiko. 4.362 Patienten über 50 Jahren (aus 30 Ländern) mit rheumatoider Arthritis und mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor wurden im Verhältnis 1:1:1 zu 10 oder 5 mg Tofacitinib zweimal täglich oder einem von zwei TNF-Inhibitoren randomisiert (Adalimumab in Nordamerika, andernorts Etanercept, jeweils in den üblichen Standarddosierungen). Alle Patienten nahmen weiterhin Methotrexat ein. Nachdem eine Zwischenanalyse im Jahr 2019 eine erhöhte Sterblichkeitsrate unter der höheren Tofacitinib-Dosis ergeben hatte, wurden die Patienten dieser Gruppe auf die niedrigere Dosierung umgestellt.

Frühere Studien haben bereits ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und maligne Erkrankungen bei Menschen mit RA beschrieben. In der aktuellen Auswertung ging das Risiko für maligne Erkrankungen nach Monat 18 noch einmal auseinander. Tofacitinib in einer Dosierung von 5 oder 10 mg zweimal täglich war mit einer Rate von 1,13 Krebserkrankungen pro 100 Patientenjahren assoziiert (versus 0,77 unter TNF-Inhibitoren). Dies entspricht einer Hazard Ratio von 1,48 (95% KI 1,04-2,09) für Tofacitinib im Vergleich zur TNFi.2,3

Lymphome hatten zu den ersten Krebsarten gehört, die Gegenstand der Aufmerksamkeit waren, und die neuen Daten ergaben für die beiden Tofacitinib-Dosierungen zusammen eine Hazard Ratio von 5,09 im Vergleich zu TNF-Hemmern (allerdings unterliegt die Zahl einer großen statistischen Unsicherheit, da insgesamt nur 10 Lymphom-Fälle auftraten). Lungenkrebs war die am häufigsten dokumentierte Tumorart bei Tofacitinib-Behandelten. Dieser schien unter Tofacitinib bedeutend häufiger aufzutreten (HR 2,17), ebenso wie Plattenepithelkarzinome der Haut (HR 2,32) und nicht-melanozytäre Hautkrebsarten (NMSC, HR 2,02).

Fazit und Fragen für die Praxis

Die Krebsinzidenz war bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in der Vorgeschichte oder erhöhten kardiovaskulären Risikoscores in allen Therapiearmen am höchsten, was auf gemeinsame Risikofaktoren für kardiovaskuläre Pathologien und Krebs zurückzuführen sein könnte. Für 5 Jahre Tofacitinib-Behandlung betrug die Number Needed to Harm 55 – wenn man also 55 Patienten für 5 Jahre behandelt, tritt – verglichen mit dem, was unter TNF-Hemmern zu erwarten wäre – unter Tofacitinib ein zusätzlicher Krebsfall auf.2,3

Viele Ärzte sind aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen zurückhaltend mit Steroiden, aber, die "schweren Geschütze", Biologika, stellen uns ebenfalls vor ein Dilemma, da sie schwerwiegende und potenziell letale Nebenwirkungen haben, z.B. Pilz- oder Amöbeninfektionen oder PML. "Das Problem ist auch, dass diese unerwünschten Ereignisse erst mehrere Jahre nach der Anwendung der Biologika auftreten. Zahlreiche Menschen erlitten eine lebensbedrohliche Sepsis, nachdem sie Jahre zuvor Rituximab verwendet hatten", kommentiert ein Epidemiologe.2 Möchte man für die Behandlung einer Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, juvenilen idiopathischen Arthritis oder Colitis ulcerosa das Risiko eines erhöhten Krebsrisikos eingehen? Und wie kommunizieren Ärzte dies bei Therapiebeginn?
 

Quelle:
  1. Gelbe Liste. Tofacitinib - Anwendung, Wirkung, Nebenwirkungen | Gelbe Liste. Gelbe Liste Online https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Tofacitinib_54481.
  2. Xeljanz Cancer Risks Detailed. https://www.medpagetoday.com/rheumatology/generalrheumatology/102106 (2022).
  3. Curtis, J. R. et al. Malignancy risk with tofacitinib versus TNF inhibitors in rheumatoid arthritis: results from the open-label, randomised controlled ORAL Surveillance trial. Annals of the Rheumatic Diseases (2022) doi:10.1136/ard-2022-222543.

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