Selen und Vitamin E beim Blasenkarzinom: mehr Schaden als Nutzen

Lange galten Vitamin E und Selen bei der Rezidivprophylaxe des nicht-muskelinvasiven Blasenkrebses (NMIBC) als Hoffnungsträger. Doch aktuelle Daten mahnen zur Vorsicht.

Nutzen von Selen und Vitamin E für den menschlichen Körper

Wozu Nahrungsergänzungsmittel bei Blasenkrebs?

Die Prognose beim Blasenkarzinom ist nach wie vor schlecht. Viele Tumoren im Anfangsstadium schreiten trotz Behandlung fort oder rezidivieren nach der Resektion. Bei bis zu 80% der Patienten treten sie erneut auf, bei bis zu 45% entwickeln sie sich im Verlauf zum muskelinvasiven Blasenkrebs.

Der Bedarf an einer effektiven Chemoprävention ist somit groß. Ob die Radikalfänger Selen und Vitamin E dafür wirklich geeignet sind, hat ein Forscherteam aus England in einer multizentrischen, doppelt verblindeten, placebokontrollierten Studie (DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.37494) untersucht. Sie rekrutierten 270 Patienten mit neu diagnostiziertem NMIBC aus 10 britischen Krankenhäusern. Nach einer transurethralen Resektion wurden sie nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen eingeteilt:

  1. Selen (oral: 200 μg/d selenreiche Hefe, 364% der empfohlenen Tagesdosis) plus Vitamin-E-Placebo
  2. Vitamin E  (200 IE/d d-Alfa-Tocopherol, 600% der empfohlenen Tagesdosis) plus Selen-Placebo
  3. Selen plus Vitamin E 
  4. Placebo plus Placebo

Die mediane Behandlungsdauer betrug 1,5 Jahre, die Nachbeobachtungszeit 5,5 Jahre. Sie meisten Patienten nahmen die Präparate zuverlässig ein, was anhand von zurückgegebenen Tabletten bzw. Kapseln und Tagebucheintragungen eruiert wurde.

Kann Selen oder Vitamin D die Prognose beim Blasenkrebs verbessern?

Primär interessierten sich die Forscher für das rezidivfreie Intervall (RFI). Hier gab es gleich die erste Enttäuschung: Von den insgesamt 122 Rezidiven traten 60 (49 %) im Selen-Arm und 62 (51 %) im Placebo-Arm auf, wobei der Unterschied nicht signifikant war. Beim Vitamin E waren die Ergebnisse zwar signifikant, allerdings nicht hinsichtlich einer Verlängerung, sondern einer Verkürzung des rezidivfreien Überlebens.

Bei den sekundären Endpunkten progressionsfreies Intervall (PFI), Gesamtüberleben und Lebensqualität sah es nicht viel besser aus. Zwar gereichten die Supplemente hier nicht zum Nachteil, brachten aber auch keine Verbesserung.

Damit bestätigte sich, was in neueren klinischen Studien mit Selen und/oder Vitamin E in der primären und sekundären Krebsprävention immer wieder beobachtet wurde: dass sie entweder keine oder sogar eine schädliche Wirkung haben. Dennoch, betonen die Forscher, bleiben Studien zu Nahrungsergänzungsmitteln in der Krebsprävention wichtig.

Fazit für die Praxis

Patienten mit NMIBC profitieren nicht von der Supplementierung mit Selen oder Vitamin E, was das Wiederauftreten, die Progression oder das Gesamtüberleben anbelangt. Eine zusätzliche Vitamin-E-Zufuhr kann sogar schädlich sein. Dies gemahnt einmal mehr daran, dass auch frei verkäufliche Präparate nicht unkritisch eingenommen werden sollten, sondern nur bei einem manifesten Mangel oder erhöhten Bedarf.

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