Schlafstörungen und rheumatische Erkrankungen verstärken einander

Bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen kann Schlafmangel die systemische Inflammation und Schmerzempfindlichkeit erhöhen und die Folgen eines bereits überaktiven Immunsystems verstärken.

Schlafstörungen und rheumatische Erkrankungen

Schlafstörungen aktivieren Entzündungsmechanismen und lösen bei RA Schmerzen aus

Gestörter Schlaf wirkt sich auf fast alle wichtigen chronischen Erkrankungen aus, einschließlich Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Autoimmunkrankheiten, wie beispielsweise die rheumatoide Arthritis (RA).
Dafür, dass Schlafmangel so prävalent ist, wird er immer noch vergleichsweise wenig beachtet. Bedingt durch hohe Stresspegel, lichtemittierende Geräte, Schichtarbeit, Alkohol- und Koffeinkonsum und viele weitere Faktoren erreichen immer mehr Menschen das empfohlene Minimum an Schlaf nicht. Laut CDC-Statistik blieb 2020 jeder Dritte (33%) in der Allgemeinbevölkerung unter 7 Stunden.1 Im Durchschnitt(!) schliefen die Menschen nur noch 5,5 h pro Nacht.2,3

Die enge Verbindung zwischen Schlaf und Immunsystem ist mittlerweile gut dokumentiert. Guter Schlaf ist entscheidend für die Homöostase des Immunsystems: Er dient dazu, die Aktivierung von Entzündungssignalen und die Expression zellulärer Inflammation zu begrenzen.5 Schlafmangel dagegen steht mit Zeichen systemischer Entzündung in Zusammenhang, wie erhöhten Blutspiegeln von Tumornekrosefaktor und Interleukin-6.6

Bei RA-Patienten führt ein verschobenes Entzündungsprofil zu einer Dysregulation der Schlaf-Wach-Aktivität, was wiederum zu überschießender Inflammation und zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit führt.5

Vermittelt durch die Zunahme entzündlicher Aktivität können Schlafstörungen auch die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Bei Patienten mit RA ist beschrieben, dass Schlafverlust verstärkte Schmerzreaktionen und arthritisbedingte Gelenkschmerzen auslöst.5

Teufelskreis: Inflammation führt zu Schlafstörungen, die die Krankheitsaktivität verstärken

Schlafbezogene Störungen aller Art gehören zu den häufigsten Beschwerden sowohl bei RA als auch bei ankylosierender Spondylitis, systemischem Lupus erythematosus (SLE), Sjögren-Syndrom und Fibromyalgie, wobei je nach Studie über die Hälfte bis zu zwei Drittel der Patienten mit chronischen Schmerzen darüber klagen.4,6 Eine Studie mit 4.200 RA-Patienten konnte klar zeigen, dass diese Störungen mit signifikant erhöhter Krankheitsaktivität und Schmerzen verbunden sind.7

"Entzündungen können Schlafstörungen hervorrufen, und Schlafstörungen wiederum verstärken die Entzündung in einer Rückkopplungsschleife, die durch sympathische Erregungsmechanismen und eine Herabregulierung der Glucocorticoid-Rezeptor-Empfindlichkeit aufrechterhalten wird", beschreibt eine aktuelle Publikation in 'Nature Reviews'.5 Apropos Glucocorticoide: Diese waren in der großen RA-Studie unabhängig mit einem erhöhten Risiko für Schlafstörungen assoziiert.7

Die Fachzeitschrift des American College of Rheumatology (ACR) betont die Risiken vieler, teils frei verkäuflicher, Schlaftabletten, zu denen die verzweifelten Patienten oft greifen und rät von diesen ab, insbesondere aufgrund des belegten Zusammenhangs zwischen der Langzeiteinnahme anticholinerger Medikamente oder Benzodiazepine und Demenz sowie dem Sturzrisiko und ermutigt stattdessen zu nicht-medikamentösen Interventionen.4

Studien zu kognitiver Verhaltenstherapie bei Schlaflosigkeit (bestehend aus Stimuluskontrolle, Schlafhygiene und kognitiver Therapie) haben anhaltende Verbesserungen der Schlafqualität, auch bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen, sowie eine Verringerung der Marker für systemische Entzündung (wie CRP und entzündlichen Zytokinen) gezeigt.6

Chronische Schlafprobleme sollten nicht ignoriert, sondern in einen umfassenden Behandlungsansatz integriert werden

Da Rheumatologen nur begrenzte Zeit mit ihren Patienten haben, kann es hilfreich sein, mit einem Schlafspezialisten zusammenarbeiten. Chronische Schmerzpatienten entwickeln nicht selten schlechte Schlafgewohnheiten, ohne sich dessen bewusst zu sein, beispielsweise die meiste Zeit des Tages im Bett zu bleiben und während des Tages immer wieder Nickerchen zu machen. Schlafspezialisten können außerdem weiteren Faktoren für Schlafstörungen auf den Grund gehen, wie Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom (RLS), Depressionen oder Angstzustände, die unter rheumatisch Erkrankten häufiger auftreten als in der Allgemeinbevölkerung.4,6

"Rheumatologen wissen, dass schlecht kontrollierte Schmerzen oft zu Schlafstörungen führen, aber sie denken oft nicht daran, dass der Patient eine separate Schlafstörung haben könnte, welche die Schmerzen verstärkt", sagt ein zertifizierter Schlafspezialist und Mitbegründer einer Klinik für Schlafstörungen.4
Schlafspezialisten können den Rheumatologen helfen, zu differenzieren, was Ursache und was Folge ist und den Kreislauf von chronischen Schmerzen und Schlaflosigkeit zu durchbrechen.4
 

Quellen:
  1. CDC. Short Sleep Duration. Centers for Disease Control and Prevention https://www.cdc.gov/sleep/data_statistics.html (2022).
  2. Average night’s sleep now less than six hours, survey shows. https://www.safetyandhealthmagazine.com/articles/19519-average-nights-sleep-now-less-than-six-hours-survey-shows.
  3. CDC - Data and Statistics - Sleep and Sleep Disorders. https://www.cdc.gov/sleep/data_statistics.html (2019).
  4. Tips for Treating Insomnia in Rheumatology Patients. The Rheumatologist https://www.the-rheumatologist.org/article/tips-for-treating-insomnia-in-rheumatology-patients/.
  5. Irwin, M. R., Straub, R. H. & Smith, M. T. Heat of the night: sleep disturbance activates inflammatory mechanisms and induces pain in rheumatoid arthritis. Nat Rev Rheumatol 19, 545–559 (2023).
  6. Rheumatology, T. L. A wake-up call for sleep in rheumatic diseases. The Lancet Rheumatology 4, e739 (2022).
  7. Katz, P., Pedro, S. & Michaud, K. Sleep Disorders Among Individuals With Rheumatoid Arthritis. Arthritis Care & Research 75, 1250–1260 (2023).

    letzter Zugriff auf Websites: 20.08.23