Abirateron und Enzalutamid werden von den aktuellen Leitlinien zum Prostatakarzinom gleichwertig nebeneinander empfohlen. Ein wirklich evidentes Kriterium, ein Präparat dem anderen vorzuziehen, gibt es bisher nicht. Die AQUARiUS-Studie bewertete allerdings die Lebensqualität (QoL) der Patienten und kommt zu dem Schluss: Abirateron wird von Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) besser vertragen. Ganz so einfach ist das aber nicht, wie ein zweiter Blick zeigt.
Die 12-monatige Beobachtungsstudie AQUARiUS1 schloss insgesamt 226 Patienten ein, welche aufgrund eines diagnostizierten metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) entweder mit Abirateron oder aber mit Enzalutamid behandelt wurden. Wichtigstes Outcome der Studie war die Patienten(selbst)einschätzung (Patient-reported Outcome) im Verlauf der Behandlung. Erhoben wurden die Daten hierzu an vier Terminen in jeweils dreimonatigen Abständen mittels validierter Fragebögen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Behandlung mit Abirateron 38,3 Wochen, mit Enzalutamid 38,7 Wochen andauerte. In dieser Zeit traten signifikante Verbesserungen bei 18 von 28 untersuchten Teilaspekten der Patienteneinschätzung auf. Neun dieser Verbesserungen zählten insbesondere für das Abirateron. Vor allem Kognition, Fatigue, Appetit und Übelkeit wurden unter Abirateron signifikant verbessert. Unter Abirateron litten circa 69% der Patienten unter einer oder mehr Nebenwirkungen, mit Enzalutamid waren es 77%.
Die StudienautorInnen schlossen aus ihren Daten, dass Abirateron dem Enzalutamid bei Patienten mit mCRPC mit Blick auf die QoL überlegen sei und daher neben klinischen Aspekten auch vermehrt die Patienteneinschätzung berücksichtigt werden müsse, wenn es um Therapieentscheidungen geht. Im Detail: Unter Abirateron plus Prednisolon wiesen die Männer weniger kognitive Einschränkungen sowie Fatigue auf, ein Effekt, der zudem bereits frühzeitig nach Therapiestart eintrat.
Allerdings geht die Diskussion der Studie auf drei wesentliche Aspekte nicht ein. Zum einen handelt es sich um eine nichtrandomisierte Beobachtungsstudie, zum anderen wurde die Studie durch eine Pharmafirma finanziert, welche Abirateronacetat für die Behandlung des Prostatakarzinoms vertreibt.
Ganz wesentlich ist jedoch, dass das Alter der Studienpopulation der AQUARiUS-Studie im Mittel für beide Behandlungsregime 72 Jahre betrug. Aus anderen Arbeiten ist bereits hinlänglich bekannt, dass Abirateron bei älteren Studienpopulationen durchaus von Vorteil sein könnte. Insbesondere multimorbide Prostatakrebs-Patienten in höherem Lebensalter scheinen von Abirateron zu profitieren.
Bestätigt wird dies erneut durch eine aktuelle Studie von Khalaf und KollegInnen2, die gezeigt haben, dass gerade die QoL älterer Patienten (> 75 Jahre) unter Abirateron günstiger beeinflusst wird als mit Enzalutamid. Dahingegen gab es bei einem jüngeren Patientenkollektiv (< 75 Jahre) keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Behandlungen mit Blick auf die QoL.
Abirateron und Enzalutamid scheinen nach derzeitiger Studienlage gleichwertig in der Behandlung des mCRPC zu sein, so vermitteln es auch die aktuellen Leitlinien der DGU und EAU. Unterschiede gibt es allerdings besonders bei älteren Patienten > 75 Jahre, die meist multimorbide sind und altersbedingt ein höheres Risiko für kognitive Einschränkungen mitbringen.
Diese Patientengruppe könnte Studien zufolge tatsächlich eher von einer Abirateron-Behandlung profitieren, welche die Kognition weniger stark verschlechtert als beispielsweise Enzalutamid in dieser meist bereits "vorgeschädigten" Altersgruppe.
Eine generelle Empfehlung des Abiraterons anstelle des Enzalutamids ergibt sich aus den Daten der AUQARUiUS-Studie nicht. Vielmehr ist der Einsatz beider Medikamente auch weiterhin von Einzelfall zu Einzelfall kritisch zu prüfen und mit dem Patienten gemeinsam, die für ihn verträglichste Option zu wählen.
Hierzu interessiert uns auch Ihre Meinung. Wie schätzen Sie die Daten der AQUARiUS-Studie für Ihre tägliche Praxis ein? Nutzen Sie die Möglichkeit, die Daten und Ihre Meinungen mit KollegInnen zu diskutieren.
Quellen:
1 Thiery-Vuillemin A et al. Eur Urol 2019: https://doi.org/10.1016/j.eururo.2019.09.019
2 Khalaf DJ et al., Eur Urol 2019: https://doi.org/10.1016/j.eururo.2018.12.015