Die Diagnose Prostatakarzinom wirft selbst gestandene Männer nicht selten erst einmal aus der Bahn. Von einem auf den anderen Moment ist Mann plötzlich mit Krankheit und der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert. Die Bewältigungsstrategien, um mit der neuen Situation auch längerfristig umgehen zu können, sind vielfältig: Sie reichen beispielsweise vom Sich-mit-der-Krankheit-Auseinandersetzen bis hin zu depressiven Phasen oder sogar Suizid. Die meisten Männer jedoch schauen nach kurzer Zeit ins Internet, um dort Informationen für sich zu bekommen. Nicht immer ganz ungefährlich, wie wir in diesem Blogpost sehen werden.
Eigentlich sollten die wichtigsten Informationen zum Prostatakarzinom ja im Arzt-Patienten-Gespräch erörtert und geklärt werden. Doch nicht immer gelingt das so optimal, denn diese zwei Gründe erschweren gerade anfangs die Kommunikation:
1. ÄrztInnen haben möglicherweise aufgrund enger Zeitkontingente in der Praxis nicht ausreichend Freiraum, tiefer in Details einzusteigen.
2. Der Patient wird nach einer Erstdiagnose selten aufnahmefähig genug sein, um wirklich alle mit der Erkrankung in Zusammenhang stehenden Fragen und Antworten zu verstehen.
Viele Männer suchen aber gerade Informationen, um gegen die inneren Ängste anzukämpfen. In der Regel werden so die Informationen aus der Arztpraxis durch eigene Recherchen im Internet unterstützt. Dort sind jedoch längst nicht alle Informationsquellen fachlich fundiert oder “vertrauenswürdig”. Vor diesem Hintergrund wird die Rolle des Internets als medizinische Informationsquelle sehr oft recht kontrovers diskutiert.
Etwa jeder dritte Mann mit einer Prostatakrebs-Diagnose zeigt Anzeichen einer klinisch relevanten Angst. Wer Angst empfindet, wird jedoch, so zeigen Studien, eine schlechtere Lebensqualität mit der Erkrankung sowie eine schlechtere Prognose haben mit Blick auf Therapieentscheidung und Adhärenz.
Angst beeinflusst die Entscheidung für oder gegen eine der Therapiealternativen. So ist bekannt, dass circa jeder fünfte Mann aus Angst die aktive Überwachung verlässt, um sich einer invasiven Behandlungsoption zuzuwenden.
Die aktive Informationssuche im Internet hilft den Patienten, sich mit den Ängsten weiter auseinanderzusetzen. Gleichzeitig entstehen dabei aber ebenso Angriffspunkte, um Ängste weiter zu verstärken, indem beispielsweise Informationen im Widerspruch zu den ärztlichen Aussagen stehen. Darin liegt auch die Gefahr der Gesundheitsinformation aus dem Netz: Niedrigschwellige Angebote müssen nicht in jedem Fall auch fachlich korrekt sein. Die wenigsten Angebote sind zudem medizinisch geprüft. So gab beispielsweise ein Drittel der PatientInnen in einer Melanomstudie an, dass sich die Ängste durch das Internet gebessert hätten, doch ein weiteres Drittel hatte nach der Informationssuche sogar noch größere Ängste.
Eine aktuelle Studie von ForscherInnen aus Berlin wollte in diesem Umfeld klären, inwieweit verschiedene Arten von Informationsquellen, die Anzahl genutzter Quellen sowie der wahrgenommene Grad an Information die Krankheitsangst bei Männern mit Prostatakarzinom beeinflussen.
Die Männer waren im Mittel 70 Jahre alt. Im Ergebnis zeigte sich in der multiplen Regressionsanalyse, dass die Internetnutzung (β = 3,28; p > 0,001), die Anzahl der genutzten Informationsquellen (β = 1,09; p > 0,01) sowie ein geringerer Informationsgrad (β = 4,49; p > 0,001) unabhängige Prädiktoren für die Angst im Zusammenhang mit einer Prostatakarzinom-Erkrankung waren.
Insgesamt betrachtet sind heute etwa drei Viertel der Männer über 60 Jahre online unterwegs. Gleichzeitig ist diese Altersgruppe auch besonders vom Prostatakarzinom betroffen. Die Ergebnisse der Berliner Studie zeigten darüber hinaus, dass viele Patienten mit Krebsdiagnose das Internet für die Informationssuche nutzen.
Auf der anderen Seite jedoch ist die Online-Informationssuche auch mit einer erhöhten Krankheitsangst assoziiert. Die AutorInnen schlagen allerdings Maßnahmen vor, wie ÄrztInnen ihren Patienten dabei helfen können, Angst und Unsicherheiten im Umgang mit der Erkrankung zu verringern. Beispielsweise könnten ÄrztInnen als erste Maßnahme am Ende des Arzt-Patienten-Gespräches eine Auswahl verlässlicher Online-Quellen aushändigen. Welche genau dies sind und wie Sie in einem solchen Gespräch vorgehen sollten, erfahren Sie in unserem heutigen exklusiven Podcast-Interview mit Frau Isabella Otto von der Berliner Charité, einer der StudienautorInnen.
Quelle: Hilger C et al., Urologe 2018; https://doi.org/10.1007/s00120-018-0769-1