Ein Team von WissenschaftlerInnen trägt mit seiner aktuellen Entwicklung wohl zukünftig entscheidend dazu bei, die immer komplexer werdende Ausbildung von ChirurgInnen durch die Verwendung einer täuschend echten Prostata-Attrappe zu verbessern. Das von ihnen entwickelte überaus realistische Modell ist im Wesentlichen ein 3D-Druck, mit dem sich die operative Entfernung der Drüse simulieren lässt.
Während andere Berufszweige, wie beispielsweise die Piloten über Simulatoren verfügen, in denen sie erste Erfahrung sammeln können, bevor sie in ihren "tollkühnen Kisten" auf die Menschen "losgelassen" werden, gibt es bisher nichts wirklich Vergleichbares in der Chirurgie ergo Urologie.
Eigentlich verwunderlich, denn noch immer hängen Erfolg und Nachwirkungen der Prostata-OP sehr stark mit der Erfahrung des jeweiligen Operateurs zusammen. Im Zweifel überleben Patienten zwar ihren Prostatakrebs, leiden jedoch für den Rest ihres Lebens unter den Folgen des Eingriffs, wie beispielsweise Inkontinenz und erektiler Dysfunktion.
Um die Versorgungssituation der Männer deutschlandweit zukünftig auf einem gemeinsamen Chancen-Fundament aufzubauen, bedarf es eines optimierten und standardisierten Trainings. Operationsergebnisse müssen im Simulator zudem quantitativ messbar und damit für die einzelnen Operateure vergleichbar sein.
Aus diesem Grund haben GrundlagenforscherInnen des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme und der Universität Stuttgart kürzlich ein erstes Organmodell (weiter-)entwickelt, welches Chirurgen ermöglicht, eine realistische Simulation einer transurethralen Resektion der Prostata zu erleben. Die Prostata-Attrappe setzt sich dafür aus Materialien zusammen, welche sich wie das echte Gewebe verhalten.
In einem ersten Praxistest an der Urologie des Universitätsklinikums Freiburg zeigte sich, dass die mit der Attrappe erzielten Operationsergebnisse der einzelnen ChirurgInnen deutlich visualisiert werden konnten. Aufgrund dieser Möglichkeit wird es nun weitaus objektiver, den ChirurgInnen umnittelbar nach dem simulierten Engriff ein Trainings-Feedback zu geben.
Beinahe 8 von 10 Männern entwickeln innerhalb ihres Lebens eine gutartige Prostatahyperplasie (BPH), die je nach Größe und Symptomlage operativ behandelt werden kann bzw. auch muss. Der dafür am häufigsten beschrittene Weg ist die transurethrale Resektion der Prostata (kurz: TURP).
Bei der TURP handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, bei dem die Prostata über die Urethra komplett oder in Teilen reseziert wird. Die Operation erfordert in der Regel ein starres Endoskop, welches über die Harnröhre des Patienten direkt an den Ort des Geschehens geführt wird.
Eine elektrische Hochfrequenz-Schlinge ermöglicht es danach dem Chirurgen / der Chirurgin, das Gewebe abzutrennen und zeitgleich die Schnittwunden zu veröden. Bei diesem Eingriff geht es vor allem darum, das Innere der Prostata "herauszuschälen", während die periphere Zone erhalten bleiben muss. Erfahrene ChirurgInnen spüren den Übergang von der inneren zur äußeren Zone, da sich die taktile Rückmeldung des Endoskops dabei verändert. Um diesen feinen Gewebeunterschied jedoch sicher spüren zu können, bedarf es unzählicher Übungsstunden, die ÄrztInnen bisher nur live am Patienten im OP-Saal erhalten konnten.
Die neu entwickelte Prostata-Attrappe hilft nun aber, wertvolle Erfahrungen außerhalb des Patienten zu sammeln. Das Modell ist ein 1:1 3D-Druck, der die Situation innerhalb der Drüse realistisch nachstellt. Die Übungs-Prostata besteht zu diesem Zweck aus speziellen biomimetischen Werkstoffen. Alles zusammen bewirkt, dass die Prostata-Attrappe eine natürliche Festigkeit und ein realitätsgetreues Aussehen bietet sowie eine naturgetreue Interaktion mit dem Operationsbesteck gewährleistet.
Originalpublikation:
Choi E et al., A High-Fidelity Phantom for the Simulation and Quantitative Evaluation of Transurethral Resection of the Prostate. Annals Biomedical Engineering 2019; https://doi.org/10.1007/s10439-019-02361-7