Fünf Fragen zur endokrinen Therapie beim lokoregional begrenzten Mammakarzinom
Neue Evidenz stärkt die Rolle der adjuvanten endokrinen Therapie beim Mammakarzinom und findet ihren Niederschlag in der aktuellen S3-Leitlinie – fünf Fragen und ein Fortbildungsextrakt mit praxisrelevanten Botschaften.
Die Antihormontherapie hat in den letzten Jahren weiter an Gewicht in der Brustkrebsbehandlung gewonnen. Sie befindet sich dank der Ergebnisse adjuvanter Therapiestudien in einer dynamischen Entwicklung. Die im vergangenen Jahr aktualisierte S3-Leitlinie zum Mammakarzinom1 widmet sich explizit den Möglichkeiten der adjuvanten endokrinen Therapie. Die evidenzbasierten Empfehlungen sind auch als Foliensatz auf der Website des Leitlinienprogramms Onkologie im PDF-Format verfügbar.
Mit den folgenden fünf Fragen können Sie Ihren Kenntnisstand überprüfen. Es können jeweils mehrere Antworten richtig sein.
„Neue Hoffnungen“ dank fortschreitender Therapie-Individualisierung
Auf aktuelle und praxisrelevante Aspekte der endokrinen Therapie des Mammakarzinoms ging Dr. Rachel Würstlein vom Brustzentrum der Universität München kürzlich bei einer „Gynäkologie im Fokus“-Fortbildungsveranstaltung in Berlin ein. Dabei betonte die Expertin zunächst, dass „neue Hoffnungen“ auf der fortschreitenden Therapie-Individualisierung ruhen.
Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 75.000 Frauen an einem primären Mammakarzinom. Die 10-Jahres-Überlebensraten liegen mittlerweile bei 85–90 % und ca. 80 % der Patientinnen können dauerhaft geheilt werden. Auch in der metastasierten Situation bei fortgeschrittenem Mammakarzinom gibt es inzwischen bessere Behandlungsoptionen, die nicht nur eine relevante Überlebensverlängerung für bestimmte Gruppen bedeuten.
Vermeidung von Über- und Untertherapie rückt in den Fokus
Die Vermeidung von Über- und Untertherapie rückt zunehmend in den Fokus der Brustkrebsbehandlung. Voraussetzung dafür ist die interdisziplinäre Teamarbeit von Beginn an und auf der Höhe des aktuellen Kenntnisstandes. Würstlein verwies in diesem Kontext auf das umfangreiche Online- und App-Angebot der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO).
„Therapieentscheidungen aller Behandlungslinien sollten die Vortherapien, das Alter und die Komorbiditäten sowie den jeweiligen Zulassungsstatus der Medikamente berücksichtigen. Eine prämenopausale Patientin kann unter GnRHa-Therapie analog zur postmenopausalen Patientin behandelt werden“, so Würstlein. Im Folgenden fassen wir einige Kernbotschaften und Hinweise der Brustkrebsspezialistin „to go“ für Sie zusammen:
Endokrine Therapie beim frühen Mammakarzinom:
- Generelle Prinzipien der adjuvanten endokrinen Therapie (AGO ++):
- Einteilung in initiale Therapie (Jahre 0–5) und erweiterte adjuvante Therapie (EAT, Jahre 6–15)
- Standard-Therapiedauer: 5 Jahre
- erweiterte Therapiedauer nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung.
- Dauer, Wahl und Sequenz von Aromataseinhibitoren (AI) oder Tamoxifen (TAM) v. a. von Menopausenstatus, Verträglichkeit und Rückfallrisiko abhängig
- Wechsel auf andere endokrine Therapie (TAM oder AI) besser als Therapie-Stopp
- Beginn mit AI bei postmenopausalen Patientinnen insbesondere bei lobulären Karzinomen und erhöhtem Rückfallrisiko
- kein validierter Biomarker für frühen versus späten Rückfall verfügbar
- Prämenopause:
- Tamoxifen 20 mg: Standardtherapie
- Tam/AI + Ovarialsuppression (OFS): bei erhaltener Ovarialfunktion nach neo-adjuvanter Chemotherapie sinnvoll; v.a. bei Patientinnen unter 35 Jahren überlegen
- Postmenopause:
- Tamoxifen 20 mg: bei niedrigem Rückfallrisiko und bei älteren Patientinnen
- Sequenztherapie: bei erhöhtem Rückfallrisiko mit einem AI für ca. 3 Jahre und TAM für 2 Jahre zu empfehlen; beide Sequenzen (AI è Tam; Tam è AI) möglich
- AI „Upfront“: Monotherapie mit einem AI, bei hohem Rückfallrisiko (z. B. nach neo-adjuvanter Chemotherapie) empfohlen
- Kombination Tam/AI + OFS v. a. bei Patientinnen unter 35 Jahren anraten
- Nachsorge: Mammografie und Sonografie über 5 Jahre hinaus
- an Vermeidung von Osteoporose unter der Therapie denken
Endokrine Therapie der prämenopausalen Patientin mit HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom:
- AGO-Bewertung mit „++“ für
- GnRHa + TAM (vs. OFS oder TAM)
- GnRHa + AI/TAM + Ribociclib
- GnRHa + Fulvestrant + Palbociclib
- GnRHa + AI + Palbociclib*
* extrapoliert aus Daten postmenopausaler Patientinnen (mit AI)
Endokrin-basierte Therapie der postmenopausalen Patientin mit HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom:
- AGO-Bewertung mit „++“ für
- Letrozol* + Palbociclib
- Letrozol* + Ribociclib
- Fulvestrant + Palbociclib * Daten können auf andere AIs extrapoliert werden
Frühes Mammakarzinom:
- endokrine Therapie: Standard prä- und postmenopausal
- Relevanz der Compliance
- neu: Post-Neoadjuvanz-Konzepte in Ergänzung durch zielgerichtete Kombinationen bei fehlender pathologischer Komplettremission (non pCR)
- Trend zu immer mehr Subpopulationen und spezifischen Testungen
- Bedarf an stabilen Studiennetzwerken und Arbeitsgruppen
Metastasiertes Mammakarzinom:
- endokrine Therapie: Standard beim Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom
- Zunahme oraler Therapien
- Trend zur Kombination mit neuen zielgerichteten Kombinationspartnern
- AI plus mTor-Inhibitor Everolimus
- AI oder Fulvestrant plus CDK4/6 Inhibitor (Palbociclib, Ribociclib, Abemaciclib) prä- und postmenopausal (prämenopausal: Kombination mit GnRHa)
- im Kommen: PI3K-Inhibitoren (Taselisib, Bupalesib/BKM 120)
- im Auge behalten: Biomarkerentwicklung durch Liquid Biopsy
- auch hier: neue Subgruppenbildung
- neue Nebenwirkungen
- neue Chancen
Abkürzungen:
AGO = Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie
AI = Aromataseinhibitor
GnRHa = Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonist
OFS = ovarielle Suppression (engl. ovarian function suppression)
TAM = Tamoxifen
- S3-Leitlinie Früherkennung Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Version 41, 2018. AWMF-Registernummer: 032-045OL
- Würstlein R. Update 2018: Praxisrelevantes aus dem Bereich Endokrine Therapie des Mammakarzinoms. Vortrag im Rahmen der Fortbildungsreihe „Gynäkologie im Focus“. Berlin, 30.07.2018