PCOS: Symptome, Risiken, Behandlungen und neue Forschung
Das Polycystische Ovarsyndrom (PCOS) betrifft Frauen im gebärfähigen Alter. Typisch sind unter anderem Virilismus, Übergewicht und Adipositas, Zyklusstörungen sowie Insulinresistenz. Langfristig erhöht das PCOS die Gefahr für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine Erkrankung, die weltweit zwischen 5 und 20 Prozent der Frauen im geschlechtsreifen Alter betrifft1. Damit ist das PCOS die häufigste Hormonstörung im gebärfähigen Alter. Meist beginnt die Erkrankung zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr2. Das PCOS ist ein komplexes endokrinologisches, gynkäkologisches und internistisches Krankheitsbild, das viele verschiedene Facetten besitzt. Charakteristisch sind erhöhte Androgenwerte und eine Virilisierung der Frauen.
Ursachen werden noch erforscht
Die Ursachen des PCOS sind bisher noch unklar. Vermutlich gibt es keine alleinige Ursache, sondern es müssen mehrere Faktoren zusammenspielen, damit das Krankheitsbild entsteht. Bekannt ist, dass das PCO-Syndrom familiär gehäuft vorkommt, sodass eine genetische Komponente beteiligt zu sein scheint1,2. Die Ergebnisse aus verschiedenen Studien sind jedoch sehr unterschiedlich und ergeben noch kein einheitliches Bild. Erforscht als Ursachen werden zudem epigenetische Faktoren, eine intrauterine androgene Prägung, die veränderte neuroendokrine Regulation über Gonadotropine oder Inkretine sowie das Mikrobiom im Darm – sie alle könnten mit den Symptomen des PCOS in Verbindung stehen.
PCOS – mit unangenehmen Symptomen und Folgen
Das PCO-Syndrom geht mit verschiedenen Symptomen und Folgen1,2,3 einher. Die wichtigsten im Überblick:
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Hyperandrogenämie – erhöhte Mengen an männlichen Geschlechtshormonen im Blut
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Virilismus: Hirsutismus (männlicher Behaarungstyp der Brust, Lumbosakralregion, Oberschenkel), Seborrhoe mit Akne, androgenetische Alopezie, Stimmveränderung (Stimmlage wird maskuliner und tiefer), männliche Körperproportionen, Hypertrophie der Klitoris, Hypotrophie der Brust
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Übergewicht/Adipositas
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Insulinresistenz
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Zyklusstörungen – Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe
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Polyzystische Ovarmorphologie – in etwa 70 Prozent der Fälle4 ist in der Sonografie die typische „perlschnurartige“ Anreihung der Eibläschen erkennbar.
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Oligo- und Anovulation – mit Unfruchtbarkeit und unerfülltem Kinderwunsch. Dies ist oft mit einem hohen psychosozialen Leidensdruck und Einschränkungen in der Lebensqualität, Lebenszufriedenheit und Sexualität verbunden.
Das PCOS scheint außerdem mit dem Metabolischen Syndrom in Verbindung zu stehen1. Bei diesem „Tetrapack“ treten vier Krankheiten gleichzeitig auf: Übergewicht/Adipositas, gestörte Glukoseverwertung, erhöhte Blutfette und Bluthochdruck. Dabei greifen einige Faktoren wie Zahnräder ineinander und lösen einen Teufelskreis aus, der sich nur schwer durchbrechen lässt4:
- Aufgrund der Insulinresistenz gelingt es übergewichtigen oder adipösen Frauen nur sehr schwer, Gewicht zu verlieren. Denn der Überschuss an Insulin im Blut stimuliert die Gewichtszunahme, verstärkt den Überschuss an männlichen Hormonen und lässt die Körperzellen gegenüber Insulin noch unempfindlicher werden.
- Die Konsequenzen können Diabetes mellitus Typ 2 – oft schon in jungen Jahren – und Schwangerschaftsdiabetes sein.
Das Metabolische Syndrom sollten Ärztinnen und Ärzte behandeln, denn es birgt verschiedene Herz-Kreislauf-Risiken wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die Insulinresistenz kann wiederum in einem Diabetes mellitus münden. So haben Frauen mit PCOS ein zwei- bis neunmal höheres Risiko, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken4. Außerdem entwickeln sie ungefähr viermal häufiger eine Fettleber4.
PCOS - Definition nach den Rotterdam-Kriterien
Mehrere Organisationen haben inzwischen Kriterien für eine Definition des PCOS entwickelt. Eine deutschsprachige Leitlinie zur Therapie und Diagnostik des Polycystischen Ovarsyndroms gibt es bislang noch nicht, aber sie wird derzeit von Fachleuten erarbeitet. Die Fertigstellung ist bis Ende 2023 geplant.
Am bekanntesten und gebräuchlichsten sind die Rotterdam-Kriterien aus dem Jahr 20031,3. Demnach liegt ein PCO-Syndrom vor, wenn zwei der folgenden drei Kriterien bei einer Frau zutreffen:
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Zyklusstörungen – Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe mit Zyklusabständen von mehr als 35 Tagen
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Klinischer Hirsutismus und/oder erhöhte Androgene im Blut (besonders Testosteron, aber auch adrenale Androgene wie Androstendion)
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Polyzystische Ovarien im Ultraschall und/oder deutlich erhöhtes ovarielles Volumen
Ärztinnen und Ärzte müssen immer andere Ursachen für die irregulären Blutungen und Androgenerhöhungen per sorgfältiger Differenzialdiagnostik ausschließen. Dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen der Hirnanhangdrüse, der Nebenniere und der Eierstöcke. Beim Verdacht auf ein PCOS sind daher immer umfassende Untersuchungen notwendig.
Behandlung des PCOS – verschiedene Möglichkeiten
Welche Behandlung beim PCO-Syndrom in Frage kommt, hängt von den individuellen Symptomen, dem Alter sowie den persönlichen Wünschen und Vorstellungen einer Frau ab (z. B. Kinderwunsch). Zu beachten ist, dass sich diese auch im Lauf der Zeit ändern können und man sie erneut erfragen muss.
Bei der Wahl der Behandlung sind zum Beispiel gewünschte kosmetische Veränderungen, ein unerfüllter Kinderwunsch sowie Stoffwechselprobleme wie Adipositas und Zuckerstoffwechselstörungen zu berücksichtigen. Wichtig ist es auch, möglichen Komplikationen vorzubeugen, etwa kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus. Es gibt verschiedene Behandlungsstrategien beim PCOS – die wichtigsten Therapiemöglichkeiten im Überblick1,3!
Lebensstil verändern
Übergewicht oder Adipositas kommt beim PCOS oft vor. Daher sollten Frauen:
- eine professionelle Ernährungsberatung wahrnehmen –hier gelten die allgemeinen Leitlinien für eine gesunde Ernährung, eventuell kann auch eine Einschränkung beim Konsum kurzkettiger Kohlenhydrate (z.B. Weißmehl, Zucker) sinnvoll sein, um Gewicht zu verlieren. Schon eine Reduktion des Körpergewichts von 10 bis 15 Prozent1 kann sich positiv auswirken.
- zur vermehrten körperlichen Aktivität (Ausdauer- und Krafttraining) angeregt werden, um die Glukoseverwertung zu verbessern.
- auf einen optimalen Vitamin D-Spiegel achten.
Medikamente und andere Therapien
Es gibt verschiedene Medikamente und andere Therapien, die an den unterschiedlichen Symptomen und Beschwerden des PCOS ansetzen.
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Hyperandrogenämie, Akne und Zyklusstörungen – hier sind kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) die Therapie der ersten Wahl. Kontraindikationen müssen Ärztinnen und Ärzte jedoch zuvor ausschließen.
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Hirsutismus: Eine Behandlung mit Antiandrogenen kann Erfolg versprechend sein. Daneben gibt es lokal wirkende Maßnahmen wie die Epilation (Licht, mechanisch), Lasern oder Cremes mit dem Wirkstoff Eflornithin.
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Anovulatorische Zyklen: Clomifen zur Follikelstimulation
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Ausgeprägte Oligo- oder Amenorrhoe: Gestagene, um das Risiko für eine Endometriumhyperplasie oder ein Endometriumkarzinom zu senken.
- Bei eingeschränkter Glukosetoleranz oder Diabetes mellitus Typ 2 kann Metformin helfen, wenn die Veränderung des Lebensstils nach drei bis sechs Monaten keinen ausreichenden Erfolg gebracht hat. Auch bei Frauen mit Kinderwunsch ist Metformin eine Möglichkeit der Behandlung.
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Metabolisches Syndrom: Glukokortikoide, die zudem die Androgenproduktion senken
- Begleitende Behandlungen der erhöhten Blutfette, Schlafapnoe oder depressiven Symptome.
Forschung zu PCOS: Diabetesrisiko senken durch Kontrazeptiva
Forschende haben das PCOS in den letzten Jahren verstärkt innerhalb von Studien in den Blick genommen. Denn das Krankheitsbild kann einige unerwünschte Folgen mit sich bringen, etwa Störungen des Glukosestoffwechsels und Diabetes mellitus Typ 2.
Normalerweise kommen bei Frauen mit PCOS, die keinen Kinderwunsch haben, kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) zum Einsatz. Ein internationales Forscherteam5 fand jetzt heraus, dass KOK das Risiko für Typ-2-Diabetes bei Frauen mit PCOS senken können. Die Ergebnisse der Studie – einer Kombination aus retrospektiver populationsbasierter Kohortenstudie und pharmakoepidemiologischer Fall-Kontroll-Studie - wurden im Fachblatt Diabetes Care veröffentlicht.
Studie: Frauen mit und ohne PCOS im Vergleich
Eingeschlossen in die Studie waren 64.051 Frauen mit PCOS und 123.545 Frauen ohne PCOS. Das durchschnittliche Alter lag bei 30,5 (±7,1) Jahren und der mittlere BMI betrug 25,6 kg/m2. Der Follow-up-Zeitraum lag bei durchschnittlich 3,5 Jahren.
Die Frauen wurden in zwei Gruppen eingeteilt:
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Fallgruppe: Alle Frauen, deren Daten die Diagnose „Polyzystisches Ovarialsyndrom“ oder „Polyzystische Ovarien“ enthielten - 43,4 Prozent dieser Frauen erhielten ein KOK.
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Kontrollgruppe: Jeder Frau aus der Fallgruppe wurde eine Frau aus der Kontrollgruppe ohne die Diagnose PCOS zugeordnet, die in der gleichen Praxis zur Behandlung war, das gleiche Alter ((±2 Jahre) hatte und ungefähr den gleichen BMI aufwies (±2 kg/m2) - 53,7 Prozent der Frauen aus der Kontrollgruppe bekamen ein KOK.
Als Outcomes definierten die Forschenden einen Diabetes mellitus Typ 2 und eine Dysglykämie beziehungsweise einen Prädiabetes. Als Cut-off Werte für den Typ-2-Diabetes galten ein HbA1c von mindestens 6,5% (48 mmol/mol) und ein Nüchternblutzucker von mindestens 7 mmol/l.
Als ausschlaggebend für Dysglykämien galten Werte ab einem:
- HbA1c von 6,0% (42mmol/mol)
- Nüchternblutzucker von mindestens 6 mmol/l
- zufälligen Blutzuckerwert von mindestens 11 mmol/l und
- zweistündigen oralen Glukosetoleranztest mit auffälligen oder erhöhten Werten.
Das Forscherteam analysierte alle Daten mittels Cox-Regression und ermittelte die adjustierten und unbereinigten Hazard Ratios. Zusätzlich wurden die adjustierten Odds Ratios mittels logistischer Regression berechnet. In die Analysen flossen neben den Daten auch Risikofaktoren, etwa der BMI, klinische Charakteristika eines Androgenüberschusses und KOK-Verschreibungen ein.
PCOS: Diabetesrisiko ist etwa doppelt so hoch
Die Ergebnisse der Studie im Überblick:
- In der Fallgruppe betrug die Inzidenz von Typ-2-Diabetes 48,7 pro 10.000 Personenjahren – in der Kontrollgruppe lag dieser Wert bei 22,8 pro 10.000 Personenjahren.
- Das Risiko für Typ-2-Diabetes war damit für Frauen mit PCOS ungefähr doppelt so hoch wie bei Frauen ohne diese Erkrankung (Hazard Ratio [HR] 2,13; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,98-2,29; p<0,001). Auch bereinigt für das Alter, den BMI und andere Parameter blieb das Verhältnis nahezu gleich (p<0,001).
- Unterschiede im BMI hatten keinen Einfluss auf das Typ-2-Diabetes-Risiko: In der Fallgruppe war es weiterhin statistisch signifikant erhöht (p<0,001).
- Auch die adjustierte Hazard Ratio (aHR) für Dysglykämien lag in der Fallgruppe bei 1,87 (95%-KI 1,78-1,97, p<0,001). Die Inzidenzrate für Störungen des Glukosestoffwechsels betrug hier 96,3 pro 10.000 Personenjahre und in der Kontrollgruppe 49,4 pro 10.000 Personenjahre.
Kontrazeptiva mit schützender Wirkung
Die Studie identifizierte einige Faktoren, die bei Frauen mit PCOS die Gefahr für Typ-2-Diabetes erhöhten. Dazu gehörten zum Beispiel Anovulationen und Hirsutismus (aHR 1,21; 95%-KI 1,08-1,35, p=0,0001; aHR 1,20; 95%-KI 1,05-1,36; p=0,007).
Wenn diese Frauen jedoch KOK einnahmen, sank dieses Risiko. So lag beispielsweise die aHR bei Präparaten mit einer antiandrogenen Progestinkomponente nur noch bei 0,84 (95%-KI 0,73-0,97; p=0,020) und ohne bei 0,83 (95%-KI 0,72-0,94; p=0,005).
Auch das Risiko für Glukosestoffwechselstörungen sank, wenn Frauen mit PCOS ein KOK erhielten (adjustierte Odds Ratio=0,74; 95%-KI 0,65-0,85; p<0,001). Für jede weitere Verschreibung sanken die Odds für Dysglykämien um weitere 2% (aOR 0,98; 95%-KI 0,96-0,99; p=0,004).
Diese Reduktion war unabhängig davon, ob die KOKs eine Progestinkomponente enthielten oder nicht (aOR bei antiandrogenem Progestin = 0,76; 95%-KI 0,63-0,91; p=0,003; aOR ohne antiandrogene Aktivität im COCP=0,72, 95%-KI 0,59-0,87; p<0,001).
Das Fazit der Studienautoren auf einen Blick:
- Frauen mit PCOS haben ein ungefähr doppelt so hohes Risiko, Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Auch ihr Risiko für Dysglykämien liegt etwa doppelt so hoch. Das Körpergewicht spielt dabei keine Rolle. Sowohl normalgewichtige Frauen mit PCOS als auch jene mit einem erhöhten BMI besitzen dieses Risiko. Das Forscherteam rät daher, Frauen mit PCOS systematisch auf Typ-2-Diabetes zu untersuchen, und zwar unabhängig vom BMI.
- Kombinierte orale Kontrazeptiva könnten sich hier schützend auswirken. Frauen mit PCOS, die KOK anwendeten, hatten ein niedrigeres Risiko für Dysglykämien oder Typ-2-Diabetes.
- Obermayer-Pietsch, B., Lerchbaum, E. Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS). J. Klin. Endokrinol. Stoffw. 12, 170–173 (2019). https://doi.org/10.1007/s41969-019-00084-7 https://link.springer.com/article/10.1007/s41969-019-00084-7
- PCOS Selbsthilfe, https://www.pcos-selbsthilfe.org/pcos (Abruf: 30.3.2022)
- Amboss, https://www.amboss.com/de/wissen/Polyzystisches_Ovarialsyndrom/
- Berufsverband der Frauenärzte e.V. https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/polyzystisches-ovarsyndrom-pcos-geht-oft-mit-typ-2-diabetes-einher/, 16.6.2021 (Abruf: 30.3.2022)
- Kumarendran B. Et al. Polycystic Ovary Syndrome, Combined Oral Contraceptives, and the Risk of Dysglycemia: A Population-Based Cohort Study With a Nested Pharmacoepidemiological Case-Control Study. Diabetes Care 2021; 44:2758-2766. DOI: 10.2337/dc21-0437