Ich wurde gefragt, wie ich mit Hindernissen umgehe und was diesbezüglich mein Rat an andere wäre. Da Hindernisse für mich eher interessant sind und nicht so sehr eine Hürde, denke ich, dass es eine gute Idee ist, sich ihnen zu stellen und sich nicht den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen.
Ob nun zwei, drei oder fünf Kinder oder keine Kinder und viele Projekte - wir alle haben viel zu tun. Und es ist eine Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bekommen. Natürlich habe ich die gleichen Schwierigkeiten, wie alle, die das versuchen. Ich bemühe mich, mein Leben gut zu organisieren. Ich habe eine gleichberechtigte Partnerschaft, mein Mann ist kein Hausmann - er fühlt sich mit mir zusammen verantwortlich. Wir haben ein Au pair-Mädchen und meine Mutter hilft uns auch.
Nein, nie. Ich persönlich kann mir das eine ohne das andere nicht vorstellen. Das wäre mir zu langweilig. Die Arbeit kann auch anstrengend sein und meine Kinder lenken mich prima ab, wenn ich nach Hause komme.
Wenn wir an Strukturen stoßen, die Frauen daran hindern, Familie und Beruf zu koordinieren, dann können wir diese Strukturen ja ändern. Die Gesellschaft ist nicht passend für uns Frauen. Ich stoße ständig an Situationen, die für mich nicht passen. Diese Strukturen sind von Menschen geschaffen, die nicht die gleichen Herausforderungen haben wie ich, zum Beispiel haben sie jemanden zu Hause, die alles für sie macht. Ich kenne Chefärzte, die sehen ihre Kinder nur am Wochenende oder noch seltener. Für mich zum Beispiel ist es nervig, wenn eine Sitzung um vier beginnt und bis sechs dauert. In dieser Zeit bedürfen Kinder aller Altersgruppen einer Betreuung und einer Ansprechpartner*in, für Hausaufgaben, Organisation oder auch um Abendessen vorzubereiten.
Wir brauchen passendere Arbeitszeiten, sollten unser mindset zu Zeitplänen ändern. Es bedarf mehr Flexibilität, sowie Verständnis für Menschen mit Familie, Angebote, damit umzugehen, wenn die Kinder mal krank sind. Die Grundeinstellung gegenüber den Interessen der Frauen und Familien muss sich ändern, sodass man ihre Anliegen mitdenkt und ernst nimmt.
Mir fällt das vielleicht jetzt etwas leichter, als noch zu der Zeit als Assistenzärztin und Oberärztin. Ich kann mir die Tage recht gut selbst organisieren. Deswegen unterstütze ich Kolleginnen, die noch in der Entwicklung ihrer Karriere sind. Ich habe Verständnis und fördere sie weiter. Mir wurde damals noch gesagt, es lohne sich nicht, in mich zu investieren, als ich schwanger wurde. Das sehe ich ganz anders. Ich gebe der Familie einen hohen Wert, auch im Arbeitsumfeld.
In gewisser Weise schon. Es ist mir inzwischen unwichtiger, was andere von mir denken. Ich kann mich frei äußern, wenn mich etwas stört. Und je mehr ich anderen, die noch nicht so weit sind, eine Stimme gebe, und mich damit gern auch unbeliebt mache, umso besser. Ich denke immer Familie mit, versuche, ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
Nein, so ist es leider nicht. Frauen müssen beispielsweise immer noch fachlich besser sein als Männer, um in höhere Positionen zu kommen. Das ist in Studien nachgewiesen. Teams, die divers besetzt sind, sind stärkere Teams. Es ist gut, wenn eine Führungskraft das erkennt. Unsere Zielgruppe ist schließlich auch divers. Sie haben unterschiedliche Bedürfnisse, die wir verstehen wollen.
Ich bin eine von drei Chefärztinnen in der Gynäkologie unter 24 Chefärzten in Berlin. In allen Gremien bin ich als Frau fast immer in der Minderheit. Das macht mich eher traurig. Stolz würde es mich machen, wenn meine Töchter, Freundinnen und Schwestern ihren Weg gehen könnten, sich verwirklichen können, ohne dass sie diskriminiert und nicht mitgedacht werden.
Es besteht eine recht große Informationslücke bezüglich der weiblichen Anatomie. Das geht in Biologiebüchern schon los und zieht sich dann fort bis in die Anatomiebücher des Medizinstudiums. Der Körper der Frau ist nicht korrekt dargestellt. Es fehlt in den meisten Büchern z.B. die korrekte Anatomie der Klitoris. Der Frauenkörper ist auch nicht frei. Er scheint immer noch öffentliches Gut zu sein, über das andere entscheiden. Siehe die neuerliche Debatte in den USA zur Abtreibung. Und wir Frauenärztinnen haben ein tolles medizinisches Netz für Frauengesundheit über ganz Deutschland gebreitet. Das müsste eigentlich dazu führen, dass Frauen stark und ermächtigt sind. Aber das ist noch nicht so. Wir Frauenärztinnen können noch mehr im Sinne der Frauen denken und verstaubte Strukturen hinterfragen. Das versuche ich mit dem Podcast "Gyncast" auch.
Ich arbeite viel und dicht. Ich gehe frühmorgens mit einer Freundin joggen. Und meine Kinder sind eine wunderbare Ablenkung.