Female Genital Mutilation (FGM) oder auch weibliche Genitalverstümmelung ist keine Randerscheinung. 200 - 250 Millionen Frauen und Mädchen weltweit leiden an ihren Folgen. Auch in Deutschland. Im August 2020 haben wir mit Dr. Cornelia Strunz vom Desert Flower Center Waldfriede in Berlin und mit Mariam, einer ihrer Patientinnen, gesprochen. Jetzt möchten wir wissen, was sich seitdem verändert hat.
Schätzungen von Unicef und WHO zufolge, sind weltweit mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen von der gewaltsamen, destruktiven Beschneidung ihrer Genitalien betroffen. Allein in Deutschland beläuft sich die Zahl auf 70.000. Seit unserem letzten Besuch im Desert Flower Center Waldfriede sind fast anderhalb Jahre vergangen. Geändert hat sich an der Situation für Frauen seitdem nicht viel. Die Rechtslage bei weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland ist eindeutig. Es handelt sich um eine Straftat, die mit bis zu 15 Jahren Haftstrafe geahndet wird. Doch obwohl Genitalverstümmelung in vielen Ländern einen Straftatbestand darstellt, werde sie weiterhin praktiziert, so Dr. med. Cornelia Strunz, Oberärztin und Fachärztin für Chirurgie und Gefäßchirurgie und Generalsekretärin der Desert Flower Foundation Deutschland.
Das folgende Video erzählt die Geschichte von Mariam und informiert über die Fakten.
Auch unter Ärztinnen und Ärzten bestehe großer Aufklärungsbedarf: "Leider ist das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung nach meinen Kenntnissen nicht im Lehrplan des Medizinstudiums enthalten. Wir halten auch weiterhin sehr viele Vorträge, um aufzuklären", erläutert Dr. Conny, wie sie von ihren Patientinnen genannt wird.
Mittlerweile gibt es das Desert Flower Magazin, das über die Arbeit der Desert Flower Foundation und ihrer Gründerin, Waris Dirie, berichtet. Das Magazin erscheint in deutscher, englischer und französischer Sprache.
Ebenfalls erschienen ist das erste deutschsprachige Fachbuch zum Thema FGM, dessen Mitherausgeberin Dr. Cornelia Strunz ist. Das Buch "Female Genital Mutilation - Medizinische Beratung und Therapie genitalverstümmelter Mädchen und Frauen" bietet fachliche Informationen und Hilfestellungen für alle Professionen, die mit dem Thema der weiblichen Genitalverstümmelung konfrontiert sind. Dabei geht es um operative Behandlungsmöglichkeiten, Geburtshilfe, rekonstruktive Verfahren sowie psychosoziale Aspekte, Rechtsfragen, Prävention und Anlaufstellen für Betroffene.
Weiterhin werden am Desert Flower Center Waldfriede seit 2018 zweimal jährlich Intensivseminare zum Thema FGM für Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Geburtshelfer und Pflegepersonal angeboten. Pandemiebedingt können zur Zeit jedoch keine Seminare stattfinden.
Die psychischen und physischen Folgen von FGM für betroffene Frauen und Mädchen sind sehr belastend und bestimmen häufig das ganze Leben. Hinzu kommt, dass die Betroffenen selbst oft nicht wissen, wie das unbeschädigte weibliche Genital beschaffen ist. Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal sind häufig nicht auf Situationen vorbereitet, in denen sie mit den Folgen von FGM konfrontiert werden. Dann ist es wichtig, trotzdem angemessen zu reagieren. Für den Umgang mit betroffenen Patientinnen rät Dr. Cornelia Strunz: "Notwendig ist die sensible und empathische Umgangsweise, die Frauen sollten nicht stigmatisiert werden, man muss Verständnis für die Tradition aufbringen. Die betroffenen Frauen ansprechen und nicht weggucken, Hilfe anbieten." Wichtig sei, auf Hilfsangebote hinzuweisen und über Genitalverstümmelung aufzuklären. Frauen sollten wissen, dass es medizinische Hilfe gibt, aber nicht zu operativen Eingriffen überredet werden.
Die Bundesregierung hat einen Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung herausgegeben, der über die Gesetzeslage in Deutschland aufklärt und den Straftatbestand erläutert. Frauen und Mädchen, die befürchten, dass sie oder ihre Töchter einer Genitalverstümmelung unterzogen werden könnten, wird geraten, diesen Schutzbrief bei sich zu tragen und auch bei Reisen in ihr Heimatland mitzuführen.
Im Jahr 2003 rief die die damalige First Lady von Nigeria, Stella Obasanjo, den Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung aus. Zum internationalen Gedenktag wurde er 2012 von der UN-Menschenrechtskommission erklärt. Seitdem wird jedes Jahr am 06. Februar an die noch immer praktizierte, brutale Praxis erinnert, der vor allem Mädchen im frühen Kindes- und Jugendalter unterzogen werden.
Der Begriff der weiblichen Beschneidung ist nicht mehr gebräuchlich, da dieser die Schwere des Eingriffs verharmlost und suggeriert, es handele sich - wie bei der männlichen Beschneidung - nur um die Entfernung der Klitorisvorhaut. Dies ist falsch. Die verschiedenen Arten der "Beschneidung" stellt Dr. Strunz in unserem Video vor. Weitere Informationen und Anlaufstellen sind über die Website des Desert Flower Center Waldfriede erhältlich.