Bildgebende Verfahren sind in der Medizin nicht neu. Aber ein dreidimensionales Modell des Körpers, aus Bildern von 92 Kameras, schon. Manche Ärzte erhoffen sich viel davon, andere sind skeptisch.
Bislang musste, wer etwa einen neuen Busen gestaltet bekam, auf gutes Augenmaß seines Operateurs hoffen. Auch wer sich überschüssiges Fett an den Oberschenkeln absaugen ließ, konnte sich über das Ergebnis nie ganz sicher sein. Das soll sich ändern: In der Münchner Uniklink steht den plastischen Chirurginnen und Chirurgen künftig der erste 3D-Ganzkörperscanner Deutschlands zur Seite. Die MedizinerInnen erhoffen sich davon einiges - und zwar nicht nur bei Schönheitsoperationen jeglicher Art, sondern auch bei der Bekämpfung von Hautkrebs.
"Da wird mit einer einzigen Aufnahme ein gesamtes Bild der Körperoberfläche gemacht, und zwar nicht nur von der Haut selbst, mit ihren Läsionen und Muttermalen, sondern auch vom Körpervolumen", erklärte Riccardo Giunta, Direktor der Plastischen Chirurgie der Uniklink. "Wir können damit ein 3D-Modell vom Gesicht, der Brust, dem Bauch und auch dem ganzen Körper machen, und das spielt bei jeder Art der körperformenden Eingriffe der plastischen Chirurgie eine Rolle."
Ein Beispiel sind Brustrekonstruktionen, etwa nach krebsbedingten Amputationen. "Bisher war man da auf Augenmaß angewiesen und ein paar Messwerte vom Maßband, aber so hat man tatsächlich eine exakte Volumenmessung mit einem relativ einfachen Verfahren", erläuterte Giunta weiter. Die MedizinerInnen wissen dank der neuen Technik genau, wie viel Körperfett sie für die neue Brust benötigen und wie diese geformt sein muss, damit es hinterher auch symmetrisch ausschaut.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, Lukas Prantl von der Uniklinik Regensburg, ist deshalb auch recht angetan von dem neuen Scanner, von dem bislang weltweit rund zehn Exemplare im Einsatz sind: "Dieses Imaging ist ganz bedeutend, das ist wirklich ein Zukunftsthema. Da wird in den nächsten Jahren in Kombination mit künstlicher Intelligenz einiges auf uns zu kommen, was uns viele Arbeitsschritte erleichtern wird."
Die Forschung arbeitet seit Längerem daran, wie PatientInnen bildlich optimal erfasst werden können, um zum einen Therapien besser planen, und zum anderen den Erfolg hinterher objektiv messen zu können. Das ist gerade bei der plastischen Chirurgie mit ihrer unmittelbaren Auswirkung auf das Aussehen der Patientinnen und Patienten wichtig. "Der Scanner in München ist sicherlich der, der sehr neuartig ist und auch von dem, was er leisten kann, ganz weit vorne dran ist", urteilte Prantl. Zugleich schränkte er mit Blick auf die Entwicklung in diesem Segment jedoch ein: "Was man jetzt noch nicht ganz abwägen kann ist, welches Produkt schlussendlich für den Patienten und uns Mediziner das beste ist und sich durchsetzen wird."
Schon heute arbeiten die ChirurgInnen mit Kameras und mit dreidimensionalen Modellen und Simulationen. Laut Prantl ist der Vorteil der 250.000 Euro teuren Neuanschaffung der Münchner namens WB360 aber die Objektivität: Die Patientin oder der Patient steht zwischen zwei futuristisch gebogenen Gebilden, die an das Innendesign von Raumschiffen in Science-Fiction-Filmen erinnern. Darin versteckt sind 92 hoch auflösende HD-Kameras, deren Aufnahmen von der Software zu einem dreidimensional Bild der PatientInnen zusammengerechnet werden.
"Das ist sicher in der Komplexität der Ablichtung eine Neuerung", urteilte auch Konstantin Nikolaou, Wissenschaftskoordinator der Deutschen Röntgengesellschaft. Die detaillierte Körperoberflächenaufnahme, die kleinste Veränderungen sichtbar mache, sei in der Medizin vielseitig nutzbar.
Nikolaou ist überzeugt: "Man wird verschiedene Kategorien dieser 3D-Technik sehen, mit verschiedenen Anwendungen. Das ist eine breite Spielwiese." So könnten 3D-Scanner in der Radiologie die Strahlenbelastung sowohl für PatientInnen als auch für das medizinische Personal durch eine kameraüberprüfte und dadurch höchst exakte Positionierung im Raum deutlich reduzieren.
Giunta, der in München seit September mit dem neuen Scanner arbeitet, sieht vor allem auch die Dermatologie als Nutznießer der Technik. "Mit der Software ist es möglich, die ganzen Hautläsionen in Bezug auf Farbunregelmäßigkeiten oder Unregelmäßigkeiten des Randes, also Risikofaktoren auf Bösartigkeit, zu prüfen." Anders als bei bisher üblichen Verfahren zur Dokumentation sei dabei jedes einzelne Muttermal eindeutig einem bestimmten Ort auf dem Körper zuordenbar - "wie auf einer Art Landkarte".
Dennoch ist das Präsidiumsmitglied der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Peter Elsner von der Uniklinik Jena, weiterhin skeptisch. "Nicht jedes neue Gerät oder Verfahren ist sinnvoll und sicher für PatientInnen." Ob der 3D-Ganzkörperscanner tatsächlich eine Verbesserung der Hautkrebs-Frühdiagnostik ermöglicht, müssten wissenschaftliche Studien jetzt zeigen. Solche liegen aber nach Erkenntnis der WissenschaftlerInnen bisher nicht vor." Bis dahin sei eine seriöse Einschätzung des Potenzials des Geräts nicht möglich.