Adhärenz und Persistenz: Garanten für einen guten Langzeit-Outcome bei rheumatischen Erkrankungen

Wie erreicht man langfristige Remissionen bei rheumatischen Erkrankungen? Diese Frage stand auf dem MSD-Symposium im Rahmen des EULAR-Kongresses 2017 im Mittelpunkt. Dabei ging es nicht nur um die richtige Auswahl der Medikamente, sondern auch um die Motivation der Patienten, sich an den Therapieplan zu halten.

Wie erreicht man langfristige Remissionen bei rheumatischen Erkrankungen?

Diese Frage stand auf dem MSD-Symposium im Rahmen des EULAR-Kongresses 2017 im Mittelpunkt. Dabei ging es nicht nur um die richtige Auswahl der Medikamente, sondern auch um die Motivation der Patienten, sich an den Therapieplan zu halten.

"Als ich als Rheumatologe zu arbeiten begann, war unser größter Erfolg Methotrexat2, begann Prof. Josef S. Smolen vom Universitätsklinikum Wien seinen kurzen Rückblick in die Vergangenheit. "Im Jahr 1994 – das war bereits vor einer Generation – erschien die erste Publikation zu einem biologischen DMARD, zu Infliximab. Seither haben wir einen phantastischen Weg gemacht". Die Biologika haben Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie bilden nicht nur einen Meilenstein in der Therapie der rheumatischen Erkrankungen, auch für die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sind sie inzwischen fest etabliert.

Das Spektrum der Mono- und Kombinationstherapien hat sich enorm erweitert: Neben den TNF-α-Hemmern haben Rheumatologen heute verschiedene Interleukin-Blocker, Rituximab, Abatacept, Apremilast und die Jak-Inhibitoren zur Verfügung. Außer den TNF-Hemmern, die bei allen Indikationen effektiv sind, besitzen die meisten der neueren Substanzen jedoch nur einen spezifischen Wirkmechanismus. Die Kunst des Arztes besteht nun darin, für jede Ausprägung und jede Phase der Erkrankung die richtige Therapie zu finden.

Hilfestellung geben die aktualisierten EULAR-Richtlinien: Nach der Diagnose einer rheumatischen Arthritis bleibt Methotrexat die Standard-Basistherapie und wird in der Regel mit niedrig dosiertem Prednisolon kombiniert. Bei nicht ausreichendem Ansprechen sollte nach 12 Wochen eine klassische DMARD Kombinationstherapie eingesetzt werden. Bei anhaltend hoher Krankheitsaktivität wird spätestens nach 6 Monaten der Einsatz eines Biologikums empfohlen, in Sondersituationen (z.B. frühe Destruktionen, ungünstige Prognose) ggf. früher. Falls sich das zuerst angewendete Biologikum in einem Zeitraum von 3 - 6 Monaten als nicht ausreichend effektiv erweist, sollte der Wechsel auf ein anderes Biologikum erfolgen. Bei langanhaltender Remission kann eine kontrollierte Reduktion der Basistherapie versucht werden.

Überschätzte Wirkung? Nur die Hälfte der Patienten sprechen auf die Therapien an

"Bei aller Euphorie über die TNF-α-Hemmer müssen wir uns fragen: Wie viele Patienten sprechen auf eine Behandlung nach dem aktuellen Algorithmus überhaupt sehr gut, also mit einem ACR 70, an?", bemerkte der Referent und führte Daten aus randomisierten Studien an. Danach sind es mit MTX alleine nur 20 von 100 Patienten und in Kombination mit einem Biologikum (egal welchem) gerade mal 40. Und wenn das erste Biologikum nicht wirkt, erhöht sich mit einer zweiten Substanz die Ansprechrate auch nur um 10 %. 

"Nach MTX und Biologika bleibt immer noch eine Hälfte der Patienten, die schlecht anspricht. Das heißt, wir brauchen neue Therapien. Und wir haben neue Therapien! Wenn wir mit jeder neuen Therapie 10 % hinzugewinnen, dann können wir die Ansprechraten bis über 90 % bringen", so Smolens optimistische Erwartung für die Zukunft. 

Wie misst man Krankheitsaktivität? Wegweiser durch den Score-Dschungel

Die Behandlungsziele des Treat-to-Target lassen sich nur durch regelmäßige Messung der Krankheitsaktivität erreichen. Dazu wurde eine inzwischen fast unüberschaubare Anzahl von Scores entwickelt. Smolen erläuterte die Vor- und Nachteile der gebräuchlichsten Messgrößen und begründete seine Empfehlungen.

Für die rheumatoide Arthritis gab er dem SDAI/CDAI (Simplified Disease Activity Index / Clinical Disease Activity Index) gegenüber dem DAS28 den Vorzug. Die Remission nach SDAI/CDAI ist mit der Progression der Gelenkzerstörung und der maximalen Verbesserung der physischen Funktionen und dem Risiko der Begleiterkrankungen verbunden. "Bei der RA ist die SDAI-Remission strukturell deutlich nützlicher als die DAS28 Remission", so Smolen.

Für die Psoriasis-Arthritis empfahl der Rheumatologe den Score DAPSA (Disease Activity in Psoriatic Arthritis Score) statt MDA (Minimal Disease Activity). Mit DAPSA lässt sich die Krankheitsaktivität im Laufe der Therapie besser beurteilen, während der MDA nur erkennt, ob eine Remission erreicht ist oder nicht.

Für die axiale Spondyloarthritis ist ASDAS (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score) das nützlichere Instrument als BASDAI. Denn ASDAS inkludiert neben klinischen Daten auch CRP - und das ist wichtig, um eine höhere Krankheitsaktivität zu messen, die zu mehr radiografischer Progression führen kann.

Die erste Wahl zählt: Golimumab bleiben die Patienten am längsten treu

Prof. Roberto Caporali vom Universitätsklinikum Pavia machte den Unterschied zwischen randomisierten und Real-Life-Studien an einem nicht ganz ernst gemeinten Beispiel der Hühnerhaltung deutlich: Legebatterien versus freilaufende Hennen. Während randomisierte Studien am besten für die Untersuchung der Effizienz von Interventionen geeignet sind, können Beobachtungsstudien deren Effektivität im wirklichen Leben herausfinden.

Effizienz definierte er als die Fähigkeit eines Medikaments, die beabsichtige Wirkung unter idealen Umständen zu erreichen – wie in randomisierten klinischen Studien.

Effektivität bedeutet die Fähigkeit eines Medikaments, den beabsichtigten Effekt im normalen klinischen Setting zu erreichen - wie im realen Leben. "Das Überleben eines Medikaments, also der Zeitraum, in dem es eingenommen wird, hängt von seiner Effektivität und seinen Nebenwirkungen ab", betonte der Referent.

Die GO-AREL-Studie untersuchte bei insgesamt 416 italienischen RA-, PsA- und AS-Patienten die Persistenz und Adhärenz für Golimumab. [1] Die Retentionsrate, also die Zahl der Patienten, die zwei Jahre lang bei dem Medikament geblieben waren, betrug im Schnitt 70 %. Das ist mehr als bei vergleichbaren Biologika-Therapien. Eine Metaanalyse von 12 Studien mit insgesamt fast 5.000 Patienten bestätigt den Befund, dass Golimumab eine höhere Persistenz besitzt als andere TNF-Inhibitoren. [2]

Fehlende Adhärenz ist meist mit einer schlechten Effektivität oder mit Nebenwirkungen des Medikaments verbunden. Das erste Mittel wirkt immer am besten. Bei Zweitlinienmedikamenten fällt die Wirkung ab. "Darum ist die Wahl der ersten Therapie so wichtig für den Outcome", betonte Caporali. Einer Behandlung, die rasch Wirkung zeigt und einfach zu handhaben ist, bleiben die Patienten treu. Fehlt die Adhärenz, wird sich die Erkrankung während er ersten sechs Monate verschlechtern. "Aber es sind genau diese ersten sechs Monate, die über den weiteren Verlauf entscheiden“. Golimumab, so sein Fazit, erfüllt diese Anforderungen und zeigt deshalb in verschiedenen Registern gute Retentionsraten. Und die Retentionsrate wiederum ist ein guter Surrogatmarker für Wirksamkeit und Sicherheit.

"Shared decision" als Schlüssel zum Erfolg

Genau an diesem Punkt setzte der Vortrag von Prof. Xenofon Baraliakos von der Ruhr-Universität Bochum ein: "Adhärenz erreicht man nur, wenn die Therapiestrategien auch die Bedürfnisse der Patienten berücksichtigen". Die Behandlungsziele von Ärzten und Patienten sind nicht immer dieselben: Patienten erwarten die Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation und ihrer sozialen Beziehungen. Das Hauptziel von Ärzten hingegen ist die vollständige Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität. Ärzte legen mehr Wert auf die Nebenwirkungen der Medikamente, während Patienten stärker auf die Verbesserung ihrer Funktionsfähigkeit fokussiert sind.

In allen Leitlinien wird die gemeinsame Entscheidungsfindung, die "shared decision", gefordert. Denn Adhärenz und Persistenz verhindern Krankheitsschübe und therapietreue Patienten erreichen sehr viel schneller eine nachhaltige Remission als nicht-therapietreue. Studien zeigen, dass nicht-adhärente und nicht-persistente Patienten viermal so häufig unter Flares leiden. [3] 

Auch Baraliakos betonte, wie wichtig das Ansprechen der Therapie in den ersten drei Monaten für das weitere Leben und die Arbeitsfähigkeit des Patienten ist. "Gerade bei der axialen Spondyloarthritis ist eine Langzeitbehandlung über mindestens vier Jahre nötig, um die radiografische Progression zurückzudrängen". Allerdings könne man mit der Zeit die Dosis reduzieren ohne an Effektivität zu verlieren. [4]

14 % der RA-Patienten verabreichen sich ihr subkutanes Biologikum nicht wie vorgeschrieben. "Warum ist das so und was können wir dagegen tun?" fragte der Referent. Seine Antwort: Eine bequeme Verabreichungszeit (z. B. monatlich) fördert die Adhärenz ebenso wie Schulungen der Patienten, das Aufstellen eines Plans zum Management der Krankheit, ein regelmäßiges Monitoring und ein direkter Kontakt zum Arzt im Notfall. Gerade für jüngere Patienten hat sich ein Reminder per SMS bewährt.  

Baraliakos Resümee fasste die Quintessenz aller drei Vorträge zusammen: "Shared decision und ein angemessenes Medikamentenprofil sind die Schlüssel für Therapietreue. Therapietreue führt zur Verbesserung der Krankheit und einem guten Langzeit-Ansprechen. Ein gutes Langzeit-Ansprechen ermöglicht besseres Monitoring und erhöht das Vertrauen der Patienten in den Arzt und die Medikamente. Und das wiederum steigert die Glaubwürdigkeit von uns als Ärzte".

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Rheumatologie Fachbereichsseite.


Referenzen: [1] Iannone F et al. Semin Arthritis Rheum. 2017 Jan 18. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/labs/articles/28216195/

[2] Patient Preference and Adherence 2017:11 719-729 https://www.dovepress.com/persistence-with-golimumab-in-immune-mediated-rheumatic-diseases-a-sys-peer-reviewed-article-PPA

[3] Pascual-Ramos V, et al. Arthritis Research & Therapy 2009 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2688260/

[4] Závada J et al. Ann Rheum Dis 2014 http://ard.bmj.com/content/75/1/96