Verhindert eine ballaststoffreiche Ernährung Diabetes? Dieser Frage ging ein Forschungsteam des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke in einer randomisierten und verblindeten Studie, der Optimal Fibre Trial for Diabetes Prevention (OptiFiT), nach. Untersucht wurde, wie sich die Gabe unlöslicher Ballaststoffe auf die Diabetesinzidenz und den Glukosestoffwechsel von Risikopatienten auswirkt.
Eine Ernährung mit vielen unlöslichen Ballaststoffen wird Gesunden wie Kranken von ErnährungsexpertInnen und MedizinerInnen immer wieder empfohlen. "Das beruht auf Beobachtungen und epidemiologischen Studien, die über viele Jahre hin gemacht wurden, hat aber keine valide Datengrundlage", sagte Dr. med. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Arbeitsgruppe für Klinische Ernährung/DZD am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke.
Forschende um Stefan Kabisch führten die erste kontrollierte Studie zum Thema "Effekte unlöslicher Ballaststoffe im Kontext von Diabetesprävention" durch. In der Optimal Fibre Trial for Diabetes Prevention (OptiFiT) ging es um zwei zentrale Fragestellungen: Verbessert die Ernährung mit unlöslichen Ballaststoffen die Ergebnisse des oralen Zuckerbelastungstests (oGTT) und hat sie einen Einfluss auf die Neuerkrankungsrate von Diabetes mellitus Typ 2?
Unlösliche Ballaststoffe, die vor allem in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Pilzen vorkommen, haben – wie seit Langem bekannt – starke Auswirkungen auf die Nahrungsaufnahme und Verdauung. Kabisch erklärte: "Sie bewirken, dass die Nahrung länger und besser gekaut wird. Mit genug Flüssigkeit quellen sie schon im Magen auf und machen satt. Zudem beschleunigen sie die Darmpassage und lockern den Stuhlgang."
An der OptiFiT nahmen zwischen März 2010 und Oktober 2012 180 ProbandInnen teil. Es wurden PatientInnen für die Studie ausgewählt, die nach dem Ergebnis eines oralen Glukosetoleranztests (oGTT) eine gestörte Glukosetoleranz aufwiesen, keinen Diabetes, keine Essstörung, keine Unverträglichkeit von Ballaststoffen hatten und außerdem keine Kortikoide einnahmen. Die Teilnehmenden mussten zudem im ersten Jahr an einer Ernährungsberatung teilnehmen. Für die Studie wurden die Teilnehmenden einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die Interventionsgruppe (IG) mit 89 Personen nahm zweimal täglich über zwei Jahre ein Ballaststoffpräparat ein. Die Placebo-Gruppe (PG) mit 91 Personen erhielt in dieser Zeit zweimal täglich das Trinksupplement ohne unlösliche Ballaststoffe.
Nach zwölf Monaten verringerte sich das Ergebnis des oGTT in beiden Studiengruppen signifikant: um –0,78 mmol/l (1,88) in der IG und –0,46 mmol/l (1,80) in der PG. Bei den weiblichen Teilnehmenden war dieser Unterschied noch ausgeprägter und statistisch signifikant. Die Neuerkrankungsrate in zwei Jahren lag in der IG bei 9/89 und in der PG bei 16/91. Hier konnten die Forscher keinen signifikanten Unterschied feststellen. Deutlich war hingegen die Auswirkung auf den Wert des Langzeit-Blutzuckers HbA1c: Er stieg in der Placebo-Gruppe leicht (+0,1 Prozentpunkte in einem Jahr) und blieb in der Interventionsgruppe konstant. Diese Differenz war signifikant. Ein kleiner Vorteil für die IG im Vergleich zur Placebo-Gruppe.
Die tägliche Einnahme eines Präparats mit unlöslichen Ballaststoffen hat die Neuerkrankungsrate an Diabetes mellitus Typ 2 bei RisikopatientInnen im Vergleich zum Placebo nicht signifikant verringert. Die Insulinsensitivität verbesserte sich langfristig über zwei Jahre ebenfalls ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Stefan Kabisch ergänzte: "Die Stoffwechselverbesserungen der Placebo-Gruppe sind vor allem auf eine Gewichtsreduktion zurückzuführen, also einen Effekt der Ernährungsberatung. Die Daten zeigen aber auch, dass die Lebensstilumstellung zwar viele Lifestylefaktoren, aber kaum die Ballaststoffzufuhr verbessert. Dennoch erlangten in zwei Jahren 53 von 180 Studienteilnehmenden wieder eine normale Glukosetoleranz."
In mehreren Second-Line-Analysen von OptiFiT versuchen die Forschenden nun den Effekt von Ballaststoffen anhand der tatsächlichen Aufnahme zu bemessen und Subgruppen der Kohorte zu identifizieren, die besonders stark von den Ballaststoffen profitiert haben. Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE, erklärte dazu: "Die Second-Line-Analyse erweitert unser Wissen um wertvolle Erkenntnisse. Der Faktor Mitwirkung der PatientInnen ist von besonderer Bedeutung. Größere, langfristigere Studien müssen folgen, um diesen Effekt genauer zu ergründen."