Bundesrecht bricht Landesrecht. Mit dieser Begründung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Pflege-Volksbegehren gestoppt. Die Enttäuschung bei den Initiatoren ist groß - und ihr Kampf noch nicht vorbei.
Mehr als 100.000 Unterschriften für bessere Pflege in bayerischen Krankenhäusern haben Initiatoren eines Volksbegehrens gesammelt - doch damit können sie nun wenig anfangen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat das Volksbegehren "Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern" am Dienstag gestoppt. "Der dem Volksbegehren zugrundeliegende Gesetzentwurf ist mit Bundesrecht unvereinbar", sagte Gerichtshof-Präsident Peter Küspert. Dem Freistaat fehle schlicht die Gesetzgebungskompetenz.
Volksbegehren seien zu vermeiden, "bei denen von vornherein ohne jeden ernsthaften Zweifel davon auszugehen ist, dass das Gesetz nach einem erfolgreichen Volksentscheid wegen Verstoßes gegen Bundesrecht vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt werden müsste". Der Bund habe "von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht", sagte Küspert und nannte als Beispiele die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) und das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) aus dem vergangenen Jahr.
An einer ähnlichen Begründung war auch schon ein Pflege-Volksbegehren in Hamburg gescheitert. Die bayerischen Initiatoren hatten aber gehofft, für sie könne es womöglich anders kommen. "Enttäuschung ist schon da", sagte der Sprecher des Initiatoren-Bündnisses, der Linken-Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg nach der Entscheidung. Ein weiteres Begehren mit einem neuen Gesetzesvorschlag konnte er sich zunächst nicht vorstellen. "Ich glaube, wir sind da am Ende der Fahnenstange, aber nicht am Ende der Auseinandersetzung."
"Das ist eine schlechte Nachricht für alle Patientinnen und Patienten und für die Beschäftigten in der Pflege", sagte der Pressesprecher des Bündnisses, Ulrich Meyer. Statt um Gesundheit, menschenwürdige Pflege und erträgliche Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern stünden Paragrafen und die Gewinne der Krankenhauskonzerne im Mittelpunkt. Meyer sagte, er gehe davon aus, dass das Thema eine große Rolle bei der Kommunalwahl 2020 spielen werde.
Enttäuscht äußerten sich auch die Gewerkschaft Verdi und die SPD. Die Grünen nannten die Entscheidung ein "trauriges Urteil für Pflegende und Pflegebedürftige". "Bayern hätte ein Leuchtturm werden können für die gesamtdeutsche Pflegelandschaft", hieß es in einer Mitteilung.
Das bayerische Innenministerium hatte das Volksbegehren für unzulässig erklärt und die Angelegenheit den Verfassungsrichtern zur Entscheidung vorgelegt. Die Argumentation des Ministeriums: Zentrale Teile der Forderungen seien durch Bundesrecht abschließend geregelt. In Bayern gebe es deswegen keine entsprechende Gesetzgebungsbefugnis.
Minister Joachim Herrmann (CSU) sah sich nun bestätigt: "Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht, so dass hier der Landesgesetzgeber keine Gesetzgebungsbefugnis besitzt", teilte er mit. "So sehen es auch die Verfassungsrichter." Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte nach einer Kabinettssitzung, die Rechtsauffassung der Staatsregierung sei voll bestätigt worden. Klar sei aber, dass Gesundheit und Pflege Top-Themen der Staatsregierung seien und blieben. Ein Hauptziel sei, das Angebot an Pflegeplätzen weiter zu stärken. "Es ist wirklich ein ganz zentrales Thema der bayerischen Staatsregierung."
Auch wenn die Initiatoren des Volksbegehrens erst einmal kein weiteres planen - ihren Kampf für bessere Pflege wollen sie nicht aufgeben. "Wir werden auf alle Fälle weiter kämpfen", sagte Stefan Jagel, selbst Pfleger und stellvertretender Sprecher des Bündnisses. "Der Kampf um mehr Pflegepersonal, der ist noch nicht vorbei."