Der Medizinische Dienst Bund hat bei der Vorlage des Jahresberichts 2021 zu Begutachtung von Behandlungsfehlern die Einführung einer Liste für Never Events gefordert. Dabei handelt es sich um gut vermeidbare unerwünschte Ereignisse, die zu besonders schwerwiegenden Schäden bei Patienten führen können wie beispielsweise Patienten- oder Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen. Der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes, Dr. Stefan Gronemeyer begrüßte am 30.06. einen entsprechenden Vorstoß des Patientenbeauftragten.
Never Events seien selten, tauchten aber jedes Jahr in der Begutachtungsstatistik auf: 2021 waren es 130 Fälle, im Jahr davor 120 Fälle. Diese Ereignisse seien für das Erkennen von Risiken und die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen von großer Bedeutung, so Gronemeyer. Andere Länder nutzen bereits die Meldung dieser Ereignisse. Bei der Umsetzung müsse die Meldung vertraulich, anonym und losgelöst von haftungsrechtlichen Konsequenzen erfolgen. Das Ziel sei ausschließlich die Verbesserung der Patientensicherheit.
Zwei Drittel der vermuteten Behandlungsfehler 2021 betreffen Leistungen der stationären Versorgung (8.690 Fälle), der Rest die ambulante Versorgung (4.339 Fälle). Die meisten vermuteten Fehler beziehen sich auf operative Eingriffe. 3.909 Fälle betreffen die Orthopädie und Unfallchirurgie, zwölf Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.608 Fälle), jeweils knapp neun Prozent die Gynäkologie sowie die Allgemein- und Viszeralchirurgie. Acht Prozent der vermuteten Fehler (1.081) ereigneten sich in der Zahnmedizin, knapp sechs Prozent (750 Fälle) in der Pflege.
Den 13.050 Verdachtsfällen können 1.006 verschiedene Diagnosen zugerechnet werden. Die Vorwürfe reichen von fehlerhaften Knie- und Hüftgelenksimplantationen über die Therapie von Knochenbrüchen, Durchblutungsstörungen bis hin zu Gallensteinen und Zahnerkrankungen.
Diese Zahlen seien nicht repräsentativ für die Fehlerhäufigkeit, so Professor Astrid Zobel, Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes. Die Fehlerhäufungen bei einzelnen Fachgebieten zeigten lediglich, dass Patienten reagierten, wenn eine Behandlung nicht ihren Erwartungen entspreche. Fehler bei chirurgischen Eingriffen seien für Patienten leichter zu erkennen als etwa Medikationsfehler.
Bei zwei Drittel der von Fehlern betroffenen Patienten waren die Gesundheitsschäden vorübergehend; die Patienten sind vollständig genesen. Bei einem Drittel wurde ein Dauerschaden verursacht. In knapp vier Prozent (98 Fälle) hat ein Fehler zum Versterben geführt oder wesentlich dazu beigetragen.
Für die Entwicklung einer aktiven Sicherheitskultur plädierte das Aktionsbündnis Patientensicherheit nach Abschluss einer Fachtagung. Noch immer würden Fehlermeldesysteme wie CIRS (Critical Incident Reporting System) nicht umfassend genutzt oder sie würden nicht ausgewertet. Damit fehle die Möglichkeit, System- und Prozessmängel aufzudecken und Verbesserungen einzuleiten.
Als vorbildlich sieht das Aktionsbündnis die Praxis im britischen Gesundheitswesen: Dort würden jährlich knapp 8.000 Fehler in Hausarztpraxen verzeichnet und analysiert, um Rückschlüsse zur Verbesserung der Patientensicherheit zu ziehen. Außerdem sei der Tod von 201 Neugeborenen binnen zwei Jahren untersucht worden, bei denen deine richtige Versorgung das Überleben gesichert hätte. Auf der Basis von Fehleranalysen seien Dutzende von Empfehlungen zur Fehlervermeidung entwickelt worden.
"Es lohnt sich, für mehr Patientensicherheit zu sorgen: gesellschaftlich, volkswirtschaftlich und persönlich."
Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit