Berlin Brain Summit 2022: von neurodegenerativen Erkrankungen bis Praxismanagement

Was haben neurodegenerative Erkrankungen, die Darm-Hirn-Achse, Neuro-/Psychopharmaka und Praxismanagement gemeinsam? All diese Themenfelder sind Teil des interdisziplinären Berlin Brain Summit 2022.

Darm-Hirn-Achse und neurodegenerative Gehirnerkrankungen

Welche Rolle spielt die Darm-Hirn-Achse bei neurodegenerative Erkrankungen und Krankheitsbildern? Laut Prof. Dr. Dirk Woitalla beschreibt diese Thematik ein weites Feld, das in vielen Fachbereichen Aufmerksamkeit verdient. 

“Dieses relativ junge Feld der Forschung beschäftigt sich nicht nur mit den neurodegenerativen Erkrankungen, sondern auch mit den Autoimmunerkrankungen, bspw. der MS, aber auch mit vaskulären Erkrankungen wie dem Schlaganfall.”

- Prof. Dr. Dirk Woitalla, Klinik für Neurologie - Chefarzt, St. Josef-Krankenhaus Kupferdreh

Veränderungen in wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Darm-Hirn-Achse – in der Vergangenheit oft als unidirektionales Trajekt betrachtet – sind laut Woitalla vor allem damit zu begründen, dass die Erkenntnisse zur Ausbreitung pathologischer Veränderungen bei Parkinson eine andere Sichtweise auf das enterische Nervensystem als Ort der Primärpathologie und damit auch den Darm ermöglicht hätten. Diese Entwicklung habe dazu geführt, dass heutzutage auch Zusammenhänge diskutiert werden, die nicht nur die neuronale Verbindung in den Fokus nehmen, sondern ebenso zelluläre Aspekte des Immunsystems.

Eine Prognose, welche Rolle der Darm in Zukunft bei der Behandlung neurologischer Krankheiten spielen wird, sei aber dennoch schwierig, da hierzu einige Aspekte noch ungeklärt seien. Durch verschiedene Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel gäbe es bereits heute Ansätze, Einfluss auf den Verlauf von Erkrankungen zu nehmen. In jedem Fall geht Prof. Woitalla davon aus, dass der Darm zukünftig bei der Frühdiagnose eine wichtige Rolle spielen wird.

“Zukünftig wird die Analyse des Mikrobioms und des enterischen Systems eine große Bedeutung bei der Entstehung von Erkrankungen haben, damit eine wichtige Rolle bei der Frühdiagnose spielen und somit auch bei der Prävention neurologischer Erkrankungen.”

Neuro-/Psychopharmaka: Welche Interaktionspotentiale liegen vor?

Das Thema Wechselwirkungspotential bei Kombinationsbehandlungen und ob dabei bestimmte Psychopharmaka vermieden werden sollten, stellt für Prof. Dr. Christoph Hiemke ein wichtiges Thema beim Berlin Brain Summit 2022 dar. 

“Es gibt kein Psychopharmakon ohne Wechselwirkungsrisiko.” 

- Prof. Dr. Christoph Hiemke


Daher müsse bei Kombinationsbehandlungen mit Psychopharmaka – vor allem bei Polypharmazie – immer individuell geprüft werden, ob pharmakokinetische oder pharmakodynamische Wechselwirkungen zu erwarten sind.

Grundsätzlich seien aber Wechselwirkungsmechanismen bekannt und Wechselwirkungen vorhersehbar. Durch geeignete Maßnahmen, wie eine Messung der Medikamentenspiegel im Blut oder eine Anpassung der Dosis, seien Überdosierung zu vermeiden. Daher resümiert Hiemke:
 

“Ein Psychopharmakon, welches man wegen seines Wechselwirkungspotentials nicht einsetzen sollte, gibt es daher nicht.”

COVID-19-Therapie und Psychopharmaka: sorgfältig prüfen

Bei der Behandlung von COVID-19 in Kombination mit Psychopharmaka rät Prof. Hiemke zur Vorsicht. Bei antiviral wirksamen Arzneistoffen wie Remdesivir oder Molnupiravir müsse man mit keinen bedeutsamen Wechselwirkungen rechnen. Aber:

“Pharmakokinetisch bedeutsame Wechselwirkungen sind jedoch beim Einsatz von Lopinavir oder Nirmatrelvir zu erwarten, wenn Patienten mit Neuro/Psychopharmaka behandelt werden, die über die Enzyme CYP2C9, CYP2C19 oder CYP3A4 abgebaut werden.”

Außerdem, so Hiemke, könne es durch die Infektion mit SARS-CoV-2 zu einem Anstieg von Entzündungsmediatoren kommen, die in einer verlangsamten Elimination von Arzneistoffen resultieren. Für Clozapin, Risperidon, Haloperidol, Duloxetin und Valproat gäbe es Fallberichte, die auf einen erhöhten Blutspiegel und Intoxikationssymptome während der COVID-19-Infektion hinweisen. 

Digitales Marketing: entscheidend für die Arztpraxis? 

Ein weiteres Themenfeld, das Tanja Schliebe im Rahmen des Berlin Brain Summit 2022 behandeln wird, heißt "Praxismanagement: Online-Marketing für Ärzte und Apotheker". Sie gibt zu verstehen:

“Patienten tauschen sich im Internet über Ärzte aus, buchen online Ihre Arzttermine und vereinbaren Videosprechstunden. Ihre potenziellen Patienten/Kunden suchen online nach Ihnen.”

- Tanja Schliebe, Chefredakteurin von Prime Public Media

Negative Medienberichte oder Online-Bewertungen über Ärztinnen oder Ärzte im Internet führten in Arztpraxen zu einem Rückgang der Besuche und Anrufe um ein Drittel. Dementsprechend gilt: die erste Seite der Google-Suchergebnisse, die mit dem Namen oder der Praxis eines Arztes verknüpft ist, ist die neue Visitenkarte. Durch gezielte digitale Inhalte könnten genau die Menschen erreicht werden, die am meisten von den in der Praxis vorhandenen Angeboten profitieren. Die Möglichkeit, Marketing gezielt einzusetzen, sei von unschätzbarem Wert für die Senkung der Kosten pro Patientenakquisition, so Schliebe.

Hierfür ist laut der PPM-Chefredakteurin eine professionelle, Vertrauen erweckende Homepage mit einzigartigen Inhalten von entscheidender Bedeutung. Einige der wichtigsten Kriterien:

Patientengewinnung: was bringen SEO und Social Media?

Um neue Patienten für sich zu gewinnen, dürfe laut Schliebe keinesfalls die Bedeutung von Suchmaschinenoptimierung unterschätzt werden – besonders Local SEO. 88 Prozent der Smartphone-Nutzer suchten lokal, zum Beispiel nach einer Praxis in ihrer Nähe. Google wolle jedem Nutzer das Suchergebnis liefern, das genau auf die Suchanfrage passt. Dafür werde der Standort des Suchenden mit einbezogen, wodurch Suchergebnisse je nach Aufenthaltsort variieren. Ihr Tipp:

“Was nicht alle wissen: Ärzte und Kliniken können die angezeigten Ergebnisse beeinflussen. Möglich macht das Google My Business, ein kostenloser Dienst von Google, über den alle wichtigen Informationen gesteuert werden können. Auch Ihre Google-Bewertungen laufen in Ihrem Google My Business Konto ein. Diese sollten Sie im Blick haben und auf neue Bewertungen zeitnah reagieren!”

Auch Social-Media-Kanäle bieten Schliebe zufolge große Chancen für Praxen und Kliniken. Soziale Medien könnten etwa genutzt werden, um die Bekanntheit zu steigern, neue Kontakte und Leads zu generieren oder Patienten zu binden – dafür müssten allerdings die Social-Media-Aktivitäten in die bestehende Strategie zur Patientengewinnung und Online-Kommunikation eingebunden und die Erfolge gemessen werden.

Dieser Beitrag basiert auf der Reihe “3 Fragen, 3 Antworten” zum Berlin Brain Summit 2022. Ab dem 31.05. berichtet esanum als Medienpartner von den Kongresshighlights.