Die Organspendezahlen in Deutschland sinken seit Längerem - allem Werben zum Trotz. Als ein entscheidender Grund gelten Hindernisse in den Kliniken. Die sollen nun aus dem Weg geräumt werden.
Um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen, sollen Krankenhäuser sich künftig besser darum kümmern können - mit mehr Zeit und mehr Geld. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der unter anderem höhere Vergütungen durch die Krankenkassen und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken vorsieht. "Hauptproblem bei der Organspende ist nicht die Spendebereitschaft", sagte Spahn. Ein entscheidender Schlüssel liege vielmehr bei den Abläufen in vielen Kliniken. Patientenschützer warnten vor Eingriffen in den Datenschutz und in die Bürgerrechte schwerstkranker Menschen.
Konkret sollen die Transplantationsbeauftragten in den bundesweit rund 1300 Krankenhäusern für Organ-Entnahmen verbindlich von anderen Aufgaben befreit werden - durch einheitliche Vorgaben, die sich an der Zahl der Betten in Intensivstationen richten. Die Experten sollen auch Patienteninformationen auswerten können und hinzugezogen werden, wenn Patienten nach Einschätzung von Ärzten Spender sein könnten. Für sie ist auch ein Zugangsrecht zu Intensivstationen geplant. Den Kliniken soll der ganze Prozess von Organspenden besser vergütet werden, wie Spahn sagte - damit sie dafür nicht finanziell bestraft werden.
Der Minister sagte, das Gesetz werde Leben retten. "Das sind wir den 10.000 Menschen schuldig, die auf ein Spenderorgan warten." Die Spenderzahlen sind jedoch seit 2012 gesunken. Die Zahl der Spender erreichte laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt von 797. Im ersten Halbjahr 2018 gab es eine Zunahme, was aber eher eine Momentaufnahme darstellte, wie die Stiftung erklärte. Dem Gesetz muss der Bundestag noch zustimmen. In Kraft treten soll es voraussichtlich im ersten Halbjahr 2019.
Die Pläne sehen auch einen neuen Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams vor, die flächendeckend die medizinische Voraussetzung für Organentnahmen feststellen können: den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Das soll vermeiden helfen, dass Organspenden in kleinen Kliniken ohne eigene Experten daran scheitern. Erleichtert werden soll auch ein Austausch zwischen Betroffenen - mit Regeln für anonymisierte Schreiben, mit denen sich Organempfänger bei den Angehörigen von Organspendern bedanken können.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte es, die Organisation in Krankenhäusern für Organspenden zu stärken. "Jedoch müssen hierbei stets die Patientenrechte gewahrt bleiben", sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Nicht zu akzeptieren sei es daher, wenn Transplantationsbeauftragte schon vor Feststellen des Hirntodes uneingeschränkt Einsicht in Patientenakten nehmen dürften. Akteneinsicht dürfe es nur mit Zustimmung des Betroffenen oder eines Bevollmächtigten geben. Spahn sagte, die Transplantationsbeauftragten seien per Gesetz Ärzte, die der Schweigepflicht unterliegen. Damit werde allen datenschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte die Gesetzespläne. "Ich bin zuversichtlich, dass damit mehr potentielle Spender identifiziert und Leben gerettet werden können. Die Zeit drängt."
Unabhängig von dem Gesetz wird über neue Regeln für Organspenden diskutiert. Den Anstoß zu einer offenen Entscheidung im Bundestag hatte Spahn gegeben, der für eine Umstellung auf eine doppelte Widerspruchslösung wirbt. Das bedeutet, dass automatisch jeder als Spender gilt. Dazu soll man aber zu Lebzeiten ausdrücklich Nein sagen können, ansonsten sind - als doppelte Schranke - noch Angehörige zu fragen. Bisher gilt das umgekehrte Prinzip, wonach Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt sind.