Turnen und Fußball im Verein sind für Kinder derzeit nicht möglich und auch die Sportmöglichkeiten in der Schule sind weggefallen. Experten warnen vor den Folgen des Bewegungsmangels, sehen in der Coronapandemie aber auch eine Chance.
Sport muss für Kinder und Jugendliche aus Sicht von WissenschaftlerInnen auch in der Corona-Krise ausreichend möglich sein. Körperliche Aktivität sei für die Gesundheit und Entwicklung junger Menschen besonders wichtig, sagte Mirko Brandes vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Eine Studie mit Befragungen in zehn Ländern zeigt, dass Sportmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen sind. In Deutschland hatten 74 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen demnach keinen Sportunterricht mehr.
Um negative Folgen zu vermeiden, brauche es Angebote wie Bewegungshausaufgaben und Training per Online-Anleitung. Es müsse geprüft werden, ob Training im Freien etwa in Kleingruppen und mit Abstand möglich sei. Brandes verwies auf Untersuchungen in Slowenien, nach denen die Fitness der Kinder nach dem Lockdown dramatisch eingebrochen ist. Demnach waren die Koordinationsfähigkeit und die Ausdauerleistungsfähigkeit besonders betroffen.
Die Entwicklung motorischer Fähigkeiten sei äußerst wichtig, dies müsse auch während der Corona-Pandemie berücksichtigt werden. Bewegung wirke sich nachweislich positiv auf die Gesundheit aus und sei für die psychische und soziale Entwicklung von Kindern besonders wichtig. Schließlich verfestige sich das Bewegungsverhalten in der Kindheit und Jugend. Die Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen in einer wichtigen Entwicklungsphase könnten Auswirkungen auf das gesamte Leben haben.
Nach einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe haben sich Kinder und Jugendliche während des Corona-Lockdowns im Frühjahr im Schnitt täglich rund 36 Minuten länger bewegt - aber auch eine Stunde mehr am Bildschirm verbracht. "Am besten durch die Krise gekommen sind Einfamilienhäuser mit Garten - wenn man es unter einer Bewegungsperspektive sieht", sagte Studienleiter Alexander Woll. Kinder in Hochhäusern haben es in der Pandemie demnach besonders schwer. Für Innenstadtkinder gebe oft zu wenig Raum und Möglichkeiten, aktiv zu sein.
Dem Wissenschaftler zufolge hat sich die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen durch Corona verändert. Der organisierte Sport durch Schule und Vereine sei plötzlich weggefallen. Zwar hätten die Kinder im Frühjahr deshalb mehr selbstständig draußen gespielt, dies habe aber nicht die gleiche Intensität wie ein Training im Verein. Und für positive Effekte wie Fitnesssteigerung und Stressvorbeugung brauche es eine gewisse Intensität.
Für den derzeitigen Lockdown befürchtet der Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft, dass die Inaktivität bei jungen Menschen zunimmt. Gerade in der dunklen Jahreszeit falle es schwer, sich selbstständig Alltagsbewegung zu suchen. E hofft, dass die gesellschaftliche Bedeutung von Sport während der Krise bewusster werde. "Wir brauchen nicht nur einen Bildungspakt für Digitalisierung, sondern genauso wichtig ist ein Pakt für mehr Bewegung." Mit Online-Sport-Angeboten könnten vielleicht sogar neue Zielgruppen erreicht werden, so Woll.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat regelmäßige Bewegung viele positive Effekte. Demnach hilft sie Krankheiten vorzubeugen, kann Symptome von Depression und Angst mildern und das Gedächtnis verbessern. Für Kinder und Jugendliche empfiehlt die WHO täglich 60 Minuten Bewegung.