Erst entzifferte Craig Venter das menschliche Erbgut, dann schuf er das erste Bakterium mit künstlichem Erbgut und zuletzt kämpfte er im Labor gegen das Altern. Aber der Gen-Pionier war auch immer schon umstritten. Zu seinem 75. Geburtstag ist es ruhig um Venter geworden.
Für Bescheidenheit war Craig Venter noch nie bekannt. "Ich denke, das ist viel wichtiger als auf dem Mond zu laufen", sagte der US-Wissenschaftler, der am 14. Oktober 75 Jahre alt wird, einmal über seine wohl größte Errungenschaft: die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts. 1999 forderte er ein internationales Forschungsteam heraus, das schon lange daran gearbeitet hatte. Nach nur 15 Monaten erreichte er etwa zeitgleich mit dem staatlich geförderten Human Genome Project das Ziel - wie "auf Steroiden und Kokain".
Die Aktion machte den Forscher weltberühmt - aber auch zutiefst umstritten. Danach kündigten er und sein Team mit schwindelerregendem Tempo immer wieder neue Entdeckungen und Vorhaben an. Ein Bakterium mit künstlichem Erbgut etwa, um die Welt vor einer Klimakatastrophe zu retten und neue Energiequellen zu erschließen. Oder die Entschlüsselung des Genoms zehntausender Menschen pro Jahr, um eine riesige Datenbasis für die Forschung zu haben. Viele Kollegen werfen Venter Größenwahn, Narzissmus und einen zu stark ausgeprägten Geschäftssinn vor. Aber der Wissenschaftler hat auch schon viele Preise bekommen und mehrfach bewiesen, dass er scheinbar Unmögliches bewerkstelligen kann.
Zuletzt hatte Venter dem Altern den Kampf angesagt. Er wolle die "gesunde Lebenszeit" verlängern, sagte er dem "Wall Street Journal» anlässlich der Gründung des Unternehmens Human Longevity 2013. "Wenn wir es schaffen, die medizinischen Kosten zu verringern und die Lebensqualität der Menschen bis zu ihrem 100. Geburtstag zu verbessern, hätte das riesige Auswirkungen." Aber 2018 trennte sich Venter von der Firma im Streit und seitdem ist es ungewohnt ruhig um den Gen-Pionier geworden. Dem J. Craig Venter Institut mit Büros in Rockville bei Washington und in San Diego in Kalifornien, in dem er mehrere frühere Firmen vereinte, sitzt er aber immer noch vor.
Der 1946 geborene Forscher ist Sohn eines deutschstämmigen Buchhalters aus Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, war ein schlechter Schüler und schaffte gerade so den Abschluss. Statt an ein College ging er an den Pazifik und surfte drei Jahre, bis der Vietnamkrieg dem ein Ende setzte. Als Sanitäter im Krankenhaus der US-Marine in Da Nang verarztete er verwundete Landsleute. Danach studierte er Medizin und promovierte. Rund 300 wissenschaftliche Artikel hat er veröffentlicht.
Sich selbst benutzte Venter immer auch öffentlichkeitswirksam zu Forschungszwecken. Schon vor rund 20 Jahren veröffentlichte der Forscher als erste genetische Blaupause eines einzelnen Menschen seine eigene. Unter anderem ging daraus hervor, dass ihm möglicherweise - wie seinem Vater - ein früher Herzinfarkt drohe. Zur Vorbeugung nehme er jetzt Cholesterinsenker und Tabletten gegen Alzheimer, schrieb Venter in seiner Autobiografie "Entschlüsselt. Mein Genom, mein Leben". Die Informationen machten ihm aber keine Angst, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. "Die Kenntnis von unseren genetischen Risiken bedeutet Macht - die Macht, ihnen entgegenzusteuern."