In der Europäischen Union erfüllen mehr als 4.000 Arzneimittelstudien derzeit nicht die geltenden Vorgaben für eine zeitnahe Veröffentlichung von Ergebnissen. Cochrane Deutschland setzt sich deshalb zusammen mit 17 anderen Unterzeichnern in einem offenen Brief an die europäischen Zulassungsbehörden für die Einhaltung längst etablierter Regeln zur Studientransparenz ein
In vielen Ländern der Welt, darunter auch jenen der Europäischen Union, gibt es längst klare Vorgaben für die Registrierung klinischer Studien und die zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse (EU-Verordnung 536/2014 vom 16. April 2014). Doch laut der Webseite "EU Trials Tracker" sind derzeit die Ergebnisse für 4.046 von 13.563 (fast 30 Prozent) aller registrierten europäischen Arzneimittelstudien überfällig. Dies widerspricht den in der EU geltenden Vorgaben für die Transparenz solcher Studien. Ergebnisse sollen innerhalb eines Jahres nach Abschluss einer Studie veröffentlicht werden. Durch eine verspätete Veröffentlichung entstehen Lücken in der Evidenzbasis zu wichtigen medizinischen Fragestellungen, die es Ärzt:innen und Gesundheitsbehörden schwerer machen zu beurteilen, wie sicher und wirksam Medikamente sind. Das verlangsamt letztlich den medizinischen Fortschritt und gefährdet Patient:innen.
Es ist Aufgabe der nationalen Zulassungsbehörden in den einzelnen EU-Staaten, dafür zu sorgen, dass Pharmaunternehmen, Universitäten und Krankenhäuser (sogenannte Studiensponsoren) die Ergebnisse klinischer Studien fristgerecht veröffentlichen. Doch viele Behörden unternehmen nur wenig, um die Einhaltung geltender Vorgaben durchzusetzen.
Eben dies fordert ein offener Brief von 18 Nichtregierungsorganisationen an die Heads of Medicines Agencies (HMA), einem Zusammenschluss der nationalen Arzneimittel-Zulassungsbehörden in der EU, zu dessen Unterzeichnern neben Cochrane international und den Cochrane-Zentren in Österreich und Schweden auch Cochrane Deutschland gehört. Der Brief warnt, dass nicht zugängliche klinische Studienergebnisse "ein erhebliches Potenzial haben, europäischen Patienten, Steuerzahlern und der öffentlichen Gesundheit zu schaden. Viele Sponsoren sind sich ihrer Verpflichtung, Studienergebnisse zu veröffentlichen, weiterhin nicht bewusst", heißt es weiter in dem Brief. Die HMA soll von den nationalen Behörden der EU (in Deutschland sind dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut folgende drei Mindeststandards einzufordern:
Die Umsetzung der vorgeschlagenen Schritte würde nur minimale Ressourcen erfordern, aber erhebliche Vorteile für die Patient:innen bringen, argumentiert der Brief. Er weist darauf hin, dass jede der vorgeschlagenen Maßnahmen bereits von einzelnen Regulierungsbehörden erfolgreich umgesetzt wird, was ihre Machbarkeit beweise. "Wenn Studienergebnisse der Wissenschaft nicht zeitnah zur Verfügung gestellt werden, ist eine gute evidenzbasierte Gesundheitsversorgung kaum möglich. Letztlich gefährdet dies ganz konkret kranke Menschen", kommentiert Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland.