Das Internet als Informationsquelle mehr oder minder verlässlicher Medizininformationen erfreut sich großer Beliebtheit, schließlich hat das World Wide Web 24 h am Tag Sprechstunde. Doch immer mehr PatientInnen entwickeln Ängste bis hin zur Hypochondrie, oder etwas passender als "Cyberchondrie" bezeichnet.
PatientInnen haben längst die Chancen, aber oft leider nicht die Risiken, des Internets als Quelle medizinischer Information entdeckt. ÄrztInnen kennen das Problem seit Längerem aus dem Praxisalltag: Eine sehr gut informierte Patientin oder ein entsprechender Patient kommt zu ihnen und beginnt, aktiv mitzudiskutieren. Das ist ja eigentlich auch nicht schlimm, doch allzu oft finden sich unter den Aussagen der PatientInnen Halbwahrheiten bis hin zum gesundheitsgefährdenden Unsinn. Wie auf dieser Basis ein gemeinschaftlicher Behandlungskonsens gefunden werden soll, ist bestenfalls fraglich.
Darüber hinaus neigen einige PatientInnen dazu, das Gelesene so stark aufzunehmen, dass sie eine entsprechende Symptomatik an sich zu beobachten anfangen. Dieses klassische Bild der Hypochondrie muss nun wohl besser, den Umständen entsprechend, als Cyberchondrie bezeichnet werden. Meist beginnt es auf der ersten Informationsseite im Netz mit einem harmlosen Pickel und am Ende des zehnten Themenforums steht beispielsweise die webgestützte Selbstdiagnose eines Malignoms fest. Kein Wunder, dass unter diesen Voraussetzungen so manchen PatientInnen Angst wird. Das geht ihren behandelnden Ärzten nicht anders, wenn auch aus einem anderen Grund: Nämlich, wie sorglos im Internet häufig mit den Ängsten der Menschen in Gesundheitsfragen gespielt wird.
Eine aktuelle Umfragestudie in Deutschland hat nun erste Ergebnisse zu diesem spannenden und gleichzeitig spannungsgeladenen Problemfeld veröffentlicht. Demnach gaben etwa zwei Drittel der befragten Ärztinnen und Ärzte an, dass mehr als 15 % der PatientInnen sie regelmäßig mit Informationen aus dem Internet konfrontierten.
Drei Viertel der ÄrztInnen sahen es zudem als Problem an, dass PatientInnen aufgrund der Internetrecherchen Ängste entwickelten und dann mit entsprechenden Erwartungen an den Arztbesuch herangingen. Beinahe bei jedem fünften Arzt / jeder fünften Ärztin (18 %) hat eine übertriebene Internetrecherche schließlich zu einem Bruch im Arzt-Patienten-Verhältnis geführt.
ÄrztInnen sollten die Probleme mit falschen Gesundheitsinformationen aus dem Internet aktiv thematisieren. Reagieren Sie auf verunsicherte oder verängstigte Patienten, erläutern Sie möglichst Ihre Diagnose und/oder die Therapievorschläge so ausführlich, wie möglich.
Mittlerweile bieten viele Gesundheitskassen und auch medizinische Verbände Informationsmaterial für Kinder, Jugendliche und betroffene Erwachsene an. ÄrztInnen sollten Ihren PatientInnen seriöse Internetseiten empfehlen und die Inhalte auch im Gespräch erörtern.
Um nicht von einer Informationsflut überschwemmt zu werden, wenn Sie gemeinsam mit der Patientin / dem Patienten an die Diagnose und spätere Therapieplanung gehen, können Sie ruhig bereits am Anfang in der Anamnese nach dem Rechercheverhalten der PatientInnen fragen.
Am einfachsten geht das tatsächlich mit der Frage: "Sie sind aber gut informiert. Woher wissen Sie das alles?" Das klingt anerkennend und kommt beim Gegenüber als Wertschätzung der eigenen Rechercheleistung an. Vermeiden sollten Sie indes Ausrufe wie "Woher haben Sie das denn wieder?" Was auch immer Sie selbst als Arzt oder Ärztin davon halten, gehen Sie auf die PatientInnen zu, argumentieren Sie und entkräften Sie. Bewerten Sie die Informationen für den Patienten, erklären Sie. Denn eines können Gesundheitsforen & Co noch nicht: Sie sprechen nicht hörbar zu den PatientInnen, ÄrztInnen schon. Das sollen sie auch, gerade in Zeiten der Digitalisierung noch mehr als zuvor, um Ängste zu nehmen.
Quelle: Dtsch med Wochenschr; doi:10.1055/a-0842-8285